Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist
du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein
Teil.
Psalm 73,26

«Alles wird gut, bleib positiv, nur Mut.» Nein, es wird nicht
alles gut. Manchmal bei uns selbst, und noch unendlich viel
häufiger bei anderen Menschen sehen wir, dass es eben nicht
gut kommt, dass die Geschichte wirklich erst dann zu Ende
ist, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen
hat, wie Friedrich Dürrenmatt es in seiner Dramentheorie
zum Stück «Die Physiker» formuliert hat. Wenn Leib und
Seele verschmachten, ist vielleicht keine Rückkehr ins Glück
im Blickfeld, ist nichts mehr zu beschönigen. Für den Menschen,
der diese Psalmworte spricht, besteht der Trost nicht
in einer Hoffnung auf bessere Zeiten. Er hat aber etwas, das
ihm das schlimmste Unglück nicht nehmen kann. Gott ist
allezeit sein Teil, er gehört unverbrüchlich zu seinem Leben.
Er fragt nicht einmal nach dem Warum, vermeidet die quälende
und unbeantwortbare Frage, warum Gott denn das
Verschmachten zulässt. Er stellt dies nur eben fest, in einer
Art der Klage, die nur benennt, was die Situation ist. Kein
Hilferuf, keine Aussicht auf Rettung, eine Extremsituation, in
der nur eines bleibt, ein unzerstörbarer Kern der Existenz –
die Zugehörigkeit zu Gott, die alles, wirklich alles überdauert.

Von: Andreas Marti