Gott der HERR spricht: Ich will noch mehr sammeln
zu der Schar derer, die versammelt sind.
Jesaja 56,8

Das Kapitel 56 des Jesaja wird in diesem einen Satz gebündelt.
Gott will alle zu sich rufen: die Juden, die Fremden, die Nachkommen
der Fremden, alle von der Gemeinschaft Ausgestossenen,
wie die ausdrücklich genannten Unfruchtbaren –
das waren damals die Frauen, die keine Kinder bekommen
konnten. Alle sollen zum Haus Gottes dazugehören, jedenfalls
wenn sie sich zu Gott bekennen und damit zu diesem
Haus dazugehören wollen. Von Andersgläubigen ist hier
nicht die Rede; der Glaube an Gott und der Einsatz für seine
Gerechtigkeit sind der gemeinsame Bezug aller, die zu dieser
Gemeinschaft gehören – ihre Herkunft spielt keine Rolle und
ihre gesellschaftliche Stigmatisierung ebenso wenig.
Mir kommt diese grosszügige Geste vor wie ein Gegenpol
zu den gegenwärtigen Diskussionen um Migration und Integration.
Natürlich leben wir in einer anderen Zeit, und die
Religionszugehörigkeit spielt im Prinzip für die Integration
keine Rolle mehr. Das ist natürlich ein wesentlicher Unterschied
zu Jesaja. Dennoch empfinde ich die einladende Geste
Gottes in diesem Kapitel und die verheissene Gemeinschaft
aller als warm und stärkend. Lasst uns zusammenhalten,
aufeinander zugehen, die Fremden suchen und finden und
ein Gegenbild schaffen zu der zu oft geforderten «reinen»
und damit ausgrenzenden Gesellschaft.

Von: Elisabeth Raiser-von Weizsäcker