Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am
äussersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich
führen und deine Rechte mich halten. Psalm 139,9–10
Das unfassbar schöne Bild von den «Flügeln der Morgenröte
» verweist vermutlich auf die Geschichte von der magischen
Flucht in einem uralten Märchen. Jedenfalls führt es
bis an die Grenzen im Osten, wo die Sonne aufgeht, während
das «äusserste Meer» die Ufer des Mittelmeers und mithin
die Ränder des Westens beschreibt. Es gibt also, dies das
Fazit, kein Entrinnen. Die Fluchtwege sind verschlossen.
Den deutschen Psychoanalytiker Tilmann Moser (1938–
2024) hat dies in seiner Anklageschrift «Gottesvergiftung»
zu zornigen Gebetszeilen verleitet: «Was meinst du, wieviel
Drohung und Unentrinnbarkeit unter der Oberfläche dieser
Lobpreisung liegen?» Man fragt sich, was für ein Gottesbild
Moser in seinem schon ein paar Jährchen zurückliegenden
Konf-Unterricht vermittelt worden ist. Bei «Drohung» und
«Unentrinnbarkeit» kommt mir selber nicht der biblische
Gott in den Sinn, sondern die Techmilliardäre. Und meine
Stimmung, wenn ich an sie denke, ist eher verzweifelt als
zornig. Der einzige Trost, der mir in diesen irren Zeiten bleibt,
ist das Vertrauen auf die führende und haltende Hand des
Ewigen. In einem alten Kommentar steht eine super Zusammenfassung
des 139. Psalms und der heutigen Losung:
«Das ist das Erste und das Letzte: Gott ist mir nahe.»
Von: Andreas Fischer