Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras,
er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn
der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da.
Die Gnade aber des HERRN währt von
Ewigkeit zu Ewigkeit.
Psalm 103,15–16.17

In der dritten Strophe des bekannten und oft gesungenen Psalmliedes von Johann Gramannn, dem Reformator Ostpreussens, formuliert er: «Er kennt das arm Gemächte
(Geschöpf) und weiss, wir sind nur Staub, ein bald verwelkt Geschlechte, ein Blum und fallend Laub. Der Wind nur
drüber wehet, so ist es nimmer da; also der Mensch vergehet, sein End, das ist ihm nah.» Dann aber folgt unmittelbar in der nächsten Strophe: «Die Gottesgnad alleine steht fest und bleibt in Ewigkeit …» (EKG 59).
Was noch viel früher schon Jesaja besungen hatte (Kapitel 40), wiederholt der Psalmsänger, um seinen Gott über alles zu loben: Es ist ein Zeichen der grossen Güte Gottes, dass er sich jedes einzelnen Menschen annimmt. Unter dem hebräischen Wort «chesed» (die absolute Liebe, ohne eine Gegenleistung zu erwarten) steht der ganze Psalm; Gottes Liebe, Gnade und Güte ist der einzige Grund dafür, dass die Menschen leben können. Und dürfen. Wenn ich das zitierte Lied singe, dann gebe ich meiner Dankbarkeit Ausdruck. Wenn ich den Psalm 103 als Ganzen lese oder höre, dann wird diese «chesed», wie meine Dankbarkeit auch, mit jedem neuen Satz umfassender. Und zu einer Kraftquelle, mein Leben in diesem Horizont zu gestalten.

Von: Hans Strub