Weide dein Volk mit deinem Stabe. Micha 7,14
Vor meinem inneren Auge sehe ich saftige Weiden und assoziiere zunächst idyllische Landschaften der barocken Schäferdichtung.
Dann erinnere ich mich an die soziale Ungerechtigkeit und Verderbtheit, die der Prophet Amos ankreidet, und sofort wendet sich das Bild. Amos wird nicht müde, die Verwüstung der Gemeinschaft als Folge von Rechtsbrüchen aufzuzeigen.
Mir fallen viele Diskussionen um die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft und ihre Ursachen ein. Der politische Rechtsruck gibt mir Anlass zur Sorge. Wohin gehen wir? Was können wir zu einem guten Miteinander beitragen und wie das gegenseitige Verständnis fördern?
Amos setzt sein Vertrauen in die Fürsorge Gottes, der mit seinem Volk mitgeht und es mit seinem Stock behüten möge.
Mir fällt der Stab des Moses ein, mit dem er das Rote Meer teilt, und tatsächlich heisst es im folgenden Vers 15 «Lass uns Wunder sehen wie zur Zeit, als du aus Ägyptenland zogst». Wie ein Schäfer mit seinem Hirtenstab möge sich Gott um seine Herde kümmern und sie beschützen, bittet Amos.
Gleich regt sich in mir Widerstand: Ich will kein Schaf, kein dummes Herdentier sein. Doch parallel zu meinem ach so stolzen protestantischen Freiheitsstreben steckt auch in mir der Wunsch, von Gott geführt und geleitet zu werden:
Weide dein Volk mit deinem Stabe.
Von: Barbara Heyse-Schaefer