Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich,
Gott anzuschauen. 2. Mose 3,6
Das kenne ich aus meiner Jugend, vielleicht die eine oder
der andere von euch auch. Ich hatte etwas Strafwürdiges
getan und so stand ich mit gesenktem Blick vor der Lehrerin.
Wie Mose fürchtete ich mich, sie anzuschauen. Hat also
Mose Angst vor Strafe? Die Geschichte vom brennenden
Dornbusch, jener Erstbegegnung von Mose und Jahwe, lässt
dies eher nicht vermuten. Mir scheint, dass der Verweis auf
die lange Geschichte Gottes mit den Vorfahren Moses und
seines Volkes ihn verschüchtert. Er erschrickt angesichts der
historischen Unermesslichkeit des göttlichen Schutzes, den
sein Volk erfahren hat und nun, in der Ansage, dass Gott
für die Unterdrückten ein Befreier sein will, einschneidend
neu erfährt. Die Losung verweist auf den entscheidenden
Punkt im Leben aller, die sich diesem Gott ausliefern. Es ist
der Punkt, wo wir im Zutrauen auf Gott Befreiung erfahren.
Aus Begegnung lernen, wie Menschen befreit werden.
Ähnlich wie Mose können wir zu Übermittlern Gottes
befreiender Absicht werden. Dabei lag, das zeigt der Text,
auf dem Weg der Befreiten, ihrem Auszug, die Begegnung
mit anderen Völkern. Der Umgang mit ihnen ist entscheidend.
Moses gesenkter Blick zeigt uns, dass wir nicht auf
Augenhöhe mit Gott sind, sondern dass seine Führung
für gelungene Geschichte nötig ist. Wir sind Hörende und
dann Handelnde. Ein solches Bewusstsein wird zeigen, ob wir
einen Auszug schaffen, der auch anderen zur Befreiung wird.
Von: Gert Rüppell