Hört mir zu, ihr trotzigen Herzen, die ihr ferne seid
von der Gerechtigkeit! Ich habe meine Gerechtigkeit
nahe gebracht; sie ist nicht ferne.
Jesaja 46,12–13

Der zweite Teil des Jesajabuchs klingt fast wie eine Bewerbungsrede
Gottes: «Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet
…» (Jesaja 45,22), «Ich, ich bin der HERR und ausser mir
ist kein Heiland» (43,11), «Hört mir zu!» (Vers 12) … Gott
umwirbt sein Volk. Trostworte, Zusagen, Verheissungen weisen
auf eine neue Zukunft nach Exil und Verlust. Nicht von
ungefähr setzt Luther über diesen Teil (ab Kapitel 40) die
Überschrift: «Das Trostbuch von der Erlösung Israels».
Aber nun: «trotzige Herzen» …? Das hebräische Wort
«abir», das hier steht, bedeutet eigentlich «stark»,
«tapfer»,
auch «widerständig». Der Unterschied liegt dort, wo ich
mich (nur) auf meine eigene Stärke und Kraft verlasse, wo
ich denke, alles hängt an mir oder von mir ab. Da ist Überforderung
oder auch eine (vielleicht verborgene?) Selbstüberschätzung
nicht weit. Gott wirbt um die trotzigen Herzen,
die verwundeten Seelen, die überforderten Starken: «Ich
habe meine Gerechtigkeit nahe gebracht; sie ist nicht ferne.»
Sie ist vielleicht nicht das, was ich mir unter Gerechtigkeit
vorstelle und erwünsche. Sie übersteigt oder durchkreuzt
meine Vorhaben. Sie fordert mich heraus – sie zeigt mir
Gottes offene Arme: «Fürchte dich nicht, denn ich habe
dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du
bist mein!»

Von: Annegret Brauch