Seid untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.
Epheser 4,32

«Es sind alle so nett», singt Franz Hohler. Die als Freundlichkeit getarnte Oberflächlichkeit mündet im Lied in die Katastrophe, das Lächeln gefriert zur Fratze. Freundlichkeit kann in den Wahnsinn treiben. Konflikte werden unter den Teppich gekehrt, Gemeinheiten hinter der kontrollierten Fassade versteckt, Einwände weggelächelt.

Freundlichkeit steht unter dem Generalverdacht der politischen Korrektheit. Die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, wird zum Freiheitsakt verklärt. Mitleid gilt als Gefühlsduselei ohne Sinn für die harte Realität. Wer die Humanität hochhält, gilt als Multikulti-Träumer. Wer Verzicht postuliert, wird als Moralist abgestempelt.

Der Apostel moralisiert nach Herzenslust. «Arbeite und tue etwas mit deinen Händen, damit du etwas hast, das du dem Notleidenden geben kannst.» Die Freundlichkeit, die hier zur Christenpflicht erklärt wird, hat nichts mit selbst-gerechter Nettigkeit zu tun, welche die Contenance behält um jeden Preis. Diese Freundlichkeit geht tiefer, sie meint Barmherzigkeit. Sie scheut den Blick auf die Wirklichkeit nicht und auch keine Debatte. Ohne sie funktioniert keine Familie, keine Gemeinschaft und ohne sie ist wohl auch kein Staat zu machen.

Von Felix Reich