Schlagwort: Ulrike Müller

18. Dezember

Paulus schreibt: Mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der  Kraft. 1. Korinther 2,4

An der Geburt des Kindes, die wir in einer Woche feiern, hatte Paulus keinerlei Interesse. Nirgends erwähnt er sie. Wohl aber den Gekreuzigten, immer wieder. Und der passt ja nicht so gut zu Weihnachten.

Und doch will ich eine Verbindung knüpfen.

Das Kreuz ist ein Zeichen des Scheiterns, des Ausgeliefertseins, der Schwäche. Paulus lenkt meinen Blick auf einen Gott, der sich als Verwundbarer zeigt und selbst bedürftig ist. Eine Gottesvorstellung, die nicht sehr weise klingt. Damit kann ich niemandem Eindruck machen und niemanden überzeugen.

Ein schwacher Gott ist eine Provokation für mein Denken und Hoffen. Ich erwarte doch, der Ewige soll eingreifen, regeln, helfen, machen, verhindern…! Die meisten Gebete sind Bitten an Gott, uns in unseren Problemen zu helfen. Beim verwundbaren Gott geht es nicht primär darum, was er tun kann, sondern was es bedeutet, in einer Beziehung zu ihm zu leben. Und diese seltsame Beziehung muss nicht ich eröffnen, sie ist längst begründet, wir stecken schon tief drin. Vielleicht so: Als ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh’ ich dich kannt’, erkoren.

Weihnachtliche Geistkraft, die sich so erweist.

Von Ulrike Müller

18. Juni

Er sättigt die durstige Seele, und die  Hungrigen füllt er mit Gutem.                                                      Psalm 107,9

«Nur darf man über den Hunger nicht reden, wenn man Hunger hat … Wenn der Hunger am grössten ist, reden wir von der Kindheit und vom Essen», schreibt Herta Müller in dem Buch «Atemschaukel» über die Zeit in einem russischen Lager. Und dass es gefährlich sei, dem Hunger das Wort zu geben, weil er alles nimmt und verschlingt. Auch die Menschlichkeit. Darum Essensgeschichten für hungrige Ohren.

Redet im Psalm jemand, der oder die hungert, vom Gesättigtwerden?

Wenn ich in der Bibel vom Hungrig- und Durstigsein lese, so denke ich zuerst an den Durst tief in mir, den ungestillten. Wie eine Leere ist er, die ich übertünchen und stopfen, aber nicht so einfach füllen kann.

Jemand sagte einmal, dieser Durst und Hunger wachse mit jeder neuen Niederlage Gottes.

Und wenn diese zwei «Hunger» nun zwei Seiten einer Medaille wären?

Wo finde ich Gott im Angesicht des Hungers?

Warum nicht auch als Gast an meinem Tisch – fragend – ob das, was ich da auftische, bei anderen zu Hunger, miserablen Löhnen, Wassermangel und Vergiftungen führt?

Von Ulrike Müller