Schlagwort: Kathrin Asper

13. Dezember

Und ich sah die heilige Stadt: das neue Jerusalem.
Sie kam von Gott aus dem Himmel herab – für die
Hochzeit bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann
geschmückt hat. Und ich hörte eine laute Stimme
vom Thron her rufen: Sieh her: Gottes Wohnung ist
bei den Menschen! Offenbarung 21,2–3

Die Himmel sind zerrissen und offen. Gott ist wieder bei den
Menschen. Ich denke, eine andere Art der Auferstehung ist
es, wenn Gott in dieser Welt spürbar ist, er unter uns ist.
So schrieb mir ein Leser der Bolderntexte kürzlich folgende
Worte: «Auferstehung ist demnach die Kraft des Himmlischen
im Irdischen. Sie kann als einzige Kraft, Gewalt, Gier,
Zerstörung, Selbstbetrug und Verzweiflung überwinden
und wandeln.» Und er fügte ein Gedicht von Marie Luise
Kaschnitz bei. Es schildert in modernen Worten, wie Gott
im Alltag unter uns Menschen ist.
Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.
Nur das Gewohnte ist um uns.
(…)
Geordnet in geheimnisvolle Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.

Wie erleben Sie Gottes Wohnung unter den Menschen?

Von: Kathrin Asper

12. Dezember

Ach dass du den Himmel zerrissest und führest herab!
Jesaja 63,19

Gott hält sich fern, der Tempel ist zerstört, die Juden müssen
in fremdem Land fremden Herren dienen. In diesem Volksklagegebet
ist Gott abwesend, er hält sich bedeckt.
Im Dreissigjährigen Krieg dichtete Friedrich Spee in Anlehnung
an diese Jesajatexte das Adventslied: «O Heiland, reiss
die Himmel auf, reiss ab vom Himmel Tor und Tür …». Im
Negro Spiritual heisst es: «Swing low, sweet chariot, coming
for to carry me home.» Auch für die Schwarzen in Amerika,
fern ihrer Wurzeln und ihrer Heimat, war der Himmel zu,
verriegelt und Gott abwesend, und sie bitten, endlich in die
himmlische Heimat zu gelangen, endlich ein besseres Leben
zu haben. Und heute, wo so viele Kriege herrschen und nicht
enden wollen, ist es der Schrei der Betroffenen und die Hoffnung
derer, die hilflos zuschauen müssen, dass die Himmel
sich öffneten und Gott wieder unter ihnen weilte.
Doch nicht nur kollektiv gilt die heutige Losung, auch in
der privaten Vereinzelung fühlen sich Menschen von Gott
getrennt, erfahren ihn als einen Gott, der fernab ist und sich
nicht um die Not und das Elend eines einzelnen Menschen
kümmert. Da ist es schon viel, dass er mit obigem Vers sprechen
kann und hofft, die Himmel öffneten sich und es werde
wieder Licht. Für viele Heutige ist die Vorstellung, dass da
einer ist, der unser Leben begleitet und an den man sich wenden
kann, fremd. Sie können sich nur an sich selbst wenden,
sich anstrengen, dass die lichtlose Zeit ein Ende finde. Das ist
noch schlimmer als Gottferne.

Von: Kathrin Asper

13. Oktober

So spricht der HERR: Dein Schaden ist verzweifelt böse, und deine Wunden sind unheilbar. Doch ich will dich wieder gesund machen und deine Wunden heilen. Jeremia 30,12.17

Gerade dann, wenn wir uns so fühlen, wie es Gott in obiger Losung sagt, gerade dann sind wir angenommen, schrieb einst Paul Tillich. Ich weiss nicht mehr, wo die Aussage steht. Wichtig indes ist, dass sie mir im Gedächtnis geblieben ist. Darüber hinaus allerdings ist mir die Erfahrung geschenkt worden, dass die Losungszeilen stimmen und ich sie in schweren Zeiten als tragfähig erlebt habe.
Man kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Das ist der ultimative Trost, und er trägt einen durch manches hindurch, auch wenn wir dies im Moment nicht glauben können.
Da hat einer Schaden genommen und unheilbare Wunden. Ob sie selbstverschuldet oder von aussen zugefügt worden sind, geht aus der Losung nicht klar hervor. Indes erlebt der Beschädigte und Verwundete Schuld. Ja, auch wenn der Schaden von aussen kam, durch ein Trauma, eine Naturkatastrophe oder ein von Menschen oder vom Schicksal zugefügtes schlimmes Ereignis, ist es menschliche Eigenart, sich dafür schuldig zu fühlen. Und die Betroffenen sind fest überzeugt, dass der herbe Schlag nicht eingetreten wäre, wenn sie sich nur anders verhalten hätten. Oft dauert es lange, bis sich die tröstliche Gewissheit einstellt, dass man trotz allem aufgehoben und getragen ist.

Von: Kathrin Asper

12. Oktober

Seine Macht ist ewig und vergeht nicht,
und sein Reich hat kein Ende.
Daniel 7,14

Kürzlich beim Spazierengehen an dem Ort, wo ich meinen Lebensabend verbringe, überraschte mich das Gefühl der Dauer, des Ewigen. Ich fühlte mich geborgen, und das Gefühl versprach anzudauern. So muss es sein, dachte ich, um zufrieden und im Einklang leben zu dürfen.
An dieses Gefühl schloss sich die Erinnerung an die Kindheit an, das gleiche Gefühl hatte ich damals, fast achtzig Jahre zuvor! Der Unterschied allerdings ist: Damals wusste ich noch nicht, dass ein ganzes Leben vor mir lag, mit Änderungen, Verlusten und Hoffnungen, Neuanfängen wie plötzlichen Richtungsänderungen. Die Vorstellung dafür fehlte mir damals und ich war aufgehoben im Gefühl ewiger – allerdings illusorischer – Dauer.
Von Gott heisst es in der Losung, er sei ewig und sein Reich ohne Ende. Wie tröstlich ist das. Im Alter, wo einen aller Vorstellung nach nicht mehr vieles erwartet. Es ist beruhigend und tröstlich, an das Göttliche zu denken als ewig und über den eigenen Tod hinausgehend. Ja, den eigenen Tod in dieser Ewigkeit aufgenommen und getragen zu wissen.

Von: Kathrin Asper

13. August

Gottes Wahrheit ist Schirm und Schild. Psalm 91,4

Da können wir gleich weiterfahren, wo wir gestern aufgehört haben!
Nicht Fels, sondern Schirm und Schild kann Gott sein. Also etwas, das wir mitnehmen zu unserem Schutz und unserer Verteidigung. Wenn ich mich von Gott geschützt und behütet fühle, geht es mir besser. So einfach ist das, nur ist es nicht immer so. Es gibt Zeiten, wo ich mich ungeschützt und verwundbar fühle, unsicher und ohne festen Grund. Oh, wie wünscht man sich dann, schnell wieder in Sicherheit zu sein. Doch so schnell geht das allemal nicht, es kann Tage, Wochen, manchmal Jahre dauern, bis sich diese Überzeugung wieder oder zum ersten Mal einstellt. Die Zeit läuft und das Leben geht weiter, ohne diesen Schutz und diesen Schirm. Wo ist dann Gottes Wahrheit? Im Nachhinein und wieder auf festem Grund, kann ich mir dann sagen, dass Gott mich hindurchgetragen hat und ich nicht zuschanden geworden bin. Gott hilft einem hindurch.
Ein Gedicht von Margaret Fishback Powers erzählt von dieser Wahrheit. Eines Nachts hatte sie einen Traum. Da ging sie mit einem Herrn am Strand. Während des Gehens zogen viele Stationen ihres Lebens vorbei. Dann schaute sie zurück und sah, dass gerade in den schwierigen Zeiten ihres Lebens nur eine Spur zu sehen war. Sie fragte den Herrn, warum er sie allein gelassen habe. Der HERR antwortete: «Dort, wo du nur eine Spur gesehen hast, da habe ich dich getragen.»

Von: Kathrin Asper

12. August

Der HERR lebt! Gelobt sei mein Fels! Psalm 18,47

Dieser Psalm besingt das persönliche Verhältnis eines Gläubigen zu seinem Gott, der ihn liebt, sich zu ihm herablässt und ihn aufrichtet.
Gott lebt und ist mein Fels, ist Gegenwart, ewig und unverrückbar. Wann brauche ich diese Zusicherung?
Ich brauche sie, wenn es mir schlecht geht und ich im Loch der Verzweiflung stecke, wenn nichts mehr sicher ist und sich keine Zukunft zeigt. Dann benötige ich diese Zusicherung. Wer gibt sie mir, wenn ich sie mir nicht selber geben kann? Ist es ein Aussenstehender, empfinde ich dies wie Hohn und kann es nicht glauben. – Tut sich aber langsam die Dunkelheit auf und kommt von innen her ein Lichtstrahl, dann beginne ich zu hoffen. Hat sich dann mein Leben wieder eingerenkt und stehe ich auf festem Grund, bin ich dankbar. Dann muss ich anerkennen, dass die Hilfe nicht von mir kam, dann kann ich loben und preisen. Denn Gott hat sich lebendig gezeigt und ich kann den Felsen, die Unverrückbarkeit Gottes loben, so wie es David in diesem Dankeslied tat.
Es gibt eine Wahrheit, die immer stimmt und verschiedenste Quellen hat, so auch König Salomon. Sie lautet: «Nichts ist von Dauer. Alles geht vorüber.» Auch das ist, wie die heutige Losung, Trost in schweren Zeiten.
Und der am Ostermontag verstorbene Papst Franziskus betonte immer wieder: «Niemand kann sich selber retten.»

Von: Kathrin Asper

13. Juni

Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? 1. Mose 18,14

Der Lehrtext für heute (Markus 16,14) kreist um den Unglauben
bezüglich Jesu Auferstehung. Da ich mit der Auferstehung
meine Mühe habe, habe ich die Losung gewählt.
Allerdings kann auch sie durchaus mit der Auferstehung
in Verbindung gebracht werden, denn «sollte dem HERRN
etwas unmöglich sein?». Vom Gefühl und von der Ahnung
her ist es mir eine angenehme Vorstellung, dereinst meine
lieben Verstorbenen wiederzusehen. Sehr oft erinnere ich
mich an sie, schliesse sie in meine Gebete ein. Mir sind aus
meiner Arbeit als Psychotherapeutin viele Träume bekannt,
in denen Verstorbene erscheinen und auf den Träumer, die
Träumerin im Jenseits warten.
In diesem Zusammenhang ist Auferstehung also durchaus
eine Möglichkeit und ist mir eigentlich selbstverständlich, so
selbstverständlich wie sie dem HERRN ist.
Laut einer «Spiegel»-Umfrage von 2019 glauben 58 Prozent
der Protestanten und 61 Prozent der Katholiken an die
Auferstehung, also halbe-halbe. Und so ist es auch bei mir,
halb kann ich es mir vorstellen und halb nicht.
Lieb ist mir das Bild des Gnadenstuhls. Da hält der auf dem
Thron sitzende Gottvater das Kreuz mit dem toten Jesus
und darüber schwebt die Taube. Ein Bild der Dreifaltigkeit
und ein Auferstehungssymbol. Und ebenso lieb ist mir der
Auferstehungs-Jesus im Isenheimer Altar in Colmar. Nur
unsere Bilder – oder etwa doch übersinnliche Wirklichkeit?
Was meinen Sie?

Von: Kathrin Asper

12. Juni

Ihr scheint als Lichter in der Welt, dadurch dass
ihr festhaltet am Wort des Lebens.
Philipper 2,15–16

Wenn ich an Licht denke und es mir bildlich vergegenwärtige,
ist Licht etwas, das an seinem Platz bleibt, als Flamme einer
Kerze, als Lichtbündel durch dunkle Wolken, als Leuchte
in einem Lampenschirm. Es ist also nicht etwas, das sich
bewegt, ist nicht zerstörerisch fressendes Feuer, sondern ist
ruhig, leuchtet still.
Nun sagt aber Paulus im obigen Text, dass wir uns bewegen
sollen inmitten eines «verdrehten und verkehrten
Geschlechts». Dieser Aufruf zur Missionierung, zu christlicher
Überzeugungsarbeit entspricht mir nicht. Vielmehr bin
ich der Ansicht, dass wenn uns stilles Leuchten und innere
Wärme geschenkt werden, wir Frieden mit unserem Leben
geschlossen haben, es aus uns heraus leuchtet. Wir müssen
nicht weibelnd herumgehen und andere für unseren Glauben
gewinnen, denn Menschen fühlen, sehen und spüren
dieses innere Licht selbst.
Dahin zu gelangen, ist indes schwierig, erfordert Arbeit an
sich selbst und bedingt, die eigenen Abgründe zu kennen.
Dann sind wir Lichter in der Welt. Das zu sein, ist ein
Geschenk, das Licht ist eine Gnadengabe, weil Gott uns
entgegenkommt. Allerdings fallen wir immer wieder daraus
heraus. Daran festzuhalten beziehungsweise wieder da
hinzufinden, ist notwendig. Auch das bleibt letztlich ein
Geschenk.

Von: Kathrin Asper

13. April

Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft
in Christus Jesus entspricht.
Philipper 2,5

Das sind Zeilen aus der ältesten Hymne der Christenheit. Paulus schrieb sie im Gefängnis und spricht darin vom heruntergekommenen Gott, über den Weg zum Kreuz und die Selbsterniedrigung Jesu Christi.
Wir sollen den «Massstab» (Gute Nachricht Bibel) bedenken, den Jesus Christus gesetzt hat im Umgang miteinander. Wir sollen nichts aus Eitelkeit tun, den anderen höher achten als uns selbst und immer daran denken, das zu tun, was dem anderen dient, und unseren Eigennutz hintanstellen.
Das ist eine moralische Maxime, der wir nicht immer folgen, sie nicht stets im Auge haben, sie vergessen, verdrängen, sie bisweilen unnötig finden.
Und dennoch: Es ist wichtig, um sie zu wissen, wesentlich auch, dass sie uns in den Sinn kommt. Immerhin haben wir dann die Möglichkeit, unseren Kurs zumindest im Nachhinein zu korrigieren.
Wir sind keine Heiligen, weder sind wir ganz gut noch ganz böse. Aber es ist notwendig, einen Kompass zu haben und ihn zu gebrauchen, wenn wir straucheln.
Sich mit der Maxime zu identifizieren und zu meinen, wir befolgten sie immer, ist gefährlich. Das führt zu Hybris und Eingenommenheit, zur Grandiosität des Narzissten, deren Preis Verdrängung und Verleugnung ist.

Von: Kathrin Asper

12. April

Josua fiel auf sein Angesicht zur Erde nieder, betete an und sprach: Was sagt mein Herr seinem Knecht? Josua 5,14

Josua, als Nachfolger von Moses, hat die Verantwortung für Gottes Leute. Nun steht er kurz davor, Jericho einzunehmen. Sein Denken ist gefesselt angesichts der kolossalen Aufgabe, um die seine Gedanken unablässig kreisen. Da trifft er auf einen Mann mit Schwert. In dieser heiklen Situation fragt er lediglich: Freund oder Feind? Nein, sagt der Mann, weder noch, ich bin der Chef über die Heerscharen Gottes. «Ziehe deine Schuhe aus! Dieser Ort ist heilig.» Der Mann mit Schwert ist der Erzengel Michael und verkörpert Gottes Gegenwart und seine Majestät. Was geschieht hier? Jedenfalls hat dieser Moment eine besondere Qualität.
Befinden wir uns vor einer schwierigen Aufgabe, sind wir voll von Gedanken, wie die Aufgabe zu lösen ist. Genau in diesem Augenblick tut sich Gottes Gegenwart auf, sie nimmt uns heraus aus der Besessenheit und dem Gedankenkreisen und stellt uns auf heiligen Grund. Die Beziehung zur Transzendenz tut sich auf. Um es bildhaft auszudrücken, mögen wir an einen schwer bewölkten Himmel denken, grau und undurchdringlich. Da kann es geschehen, dass sich eine Lücke auftut, das Licht hindurchstrahlt und gebündelt und hell auf die Erde strahlt. – Nun dürfen wir uns innewerden, dass all unser Tun und Trachten wegfallen darf und wir uns für einen Moment orten können in der Gegenwart Gottes. Ein Atemholen vor der Bewältigung einer Aufgabe.

Von: Kathrin Asper