Sage nicht: «Ich bin zu jung», sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. Jeremia 1,7
Jeremia sah in seinem jugendlichen Alter einen Grund, nicht zu predigen, nicht von Gott zu sprechen. Und wir? Zu jung vielleicht nicht, aber zu diskret, zu zurückhaltend, gebremst von der Scheu, zu persönlich oder gar übergriffig zu werden. Entsprechend ist Religion, jedenfalls die eigene, aus dem öffentlichen Diskurs verschwunden. Die Kirche hat die gesellschaftlichen und kulturellen Eliten verloren. Es gehört zum guten Ton, ausgetreten zu sein – darüber wird dann durchaus offen gesprochen.
«Predigen», wie bei Jeremia, hilft nicht. Von Gott reden geht nur im Gespräch mit dem modernen Weltbild und seinen Vorstellungen von Universum, Wissenschaft und Mensch. Diesem Weltbild möchte ich kein geschlossenes Programm christlicher Überzeugung entgegenstellen. Vielmehr geht es um eine Art Entsprechung zwischen der immer stärker in Erscheinung tretenden Unabgeschlossenheit des wissenschaftlichen Weltbildes und der fundamentalen Offenheit des Gottesbegriffs.
Religion kann eine Möglichkeit sein für den Umgang mit dem grundsätzlich nicht Erkennbaren, «Gott» ein fassbares Wort für das Unfassbare, das in der jüdischen und christlichen Geschichte konkrete und oft paradoxe Formulierungen gefunden hat.
Von: Andreas Marti
