Schlagwort: Andreas Egli

6. August

Ich will dem HERRN singen, denn er ist hoch erhaben.
2. Mose 15,1

Noch einmal geht es um den Auszug aus Ägypten. Nun wird von den Israeliten erzählt, die den beschwerlichen Weg in die Freiheit unter die Füsse nehmen. Sie sollen keine Sklavenarbeit mehr leisten, sondern nur noch einem dienen – ihrem Gott. Ihnen hinterhergeschickt wird eine hochgerüstete Armee, die sie stoppen und zurückholen soll. Schnelle Pferdegespanne ziehen die ägyptischen Kriegswagen, auf denen schwer bewaffnete Kämpfer stehen. Zur Entscheidung kommt es, als die Israeliten am Rand einer Wasserfläche nicht mehr weiterkommen. Auf unerklärliche Art weicht das Wasser zurück, sodass man es zu Fuss durchqueren kann. Die schweren Kriegsgeräte dagegen bleiben im Meer stecken. An dieser Stelle ist ein Psalm in die Erzählung eingefügt, der für Gottes Hilfe dankt. Und gleich zweimal ertönt ein kurzes Siegeslied (Verse 1 und 21). Aber nicht ein Sieg in der Schlacht, sondern ein unerwartetes Naturereignis brachte die Rettung. Das Lied besingt nicht die Stärke der eigenen Kämpfer, sondern ein wunderbares Eingreifen von Gott. «Damals sangen Mose und die Israeliten dieses Lied: Singen will ich dem HERRN, denn hoch hat er sich erhoben. Pferde und Kriegswagenfahrer hat er ins Meer geworfen.» Das Lied drückt den Glauben aus: Gott zeigt seine Hoheit dadurch, dass er auf der Seite der Unterdrückten steht.

Von: Andreas Egli

5. August

Der HERR sprach zu Mose: Du sollst alles reden, was ich dir gebieten werde. 2. Mose 7,1.2

In der Erzählung vom Auszug aus Ägypten sind die Gegenspieler klar. Einerseits ist es der Pharao, der König des Grossreichs Ägypten. Er steht an der Spitze eines mächtigen Staatsapparats und wird in seinem Land wie ein Gott verehrt. Andererseits ist es der Gott eines kleinen Wüstenvolks, das in Ägypten Sklavenarbeit leistete und nun den Weg in die Freiheit sucht. Es scheint, dass die Überlegenheit klar beim Pharao liegt. Aber der Text kehrt die Verhältnisse um. An der Spitze steht der biblische Gott, der sich mit seinem Namen bekannt gemacht hat. Ihm untergeordnet ist Mose, der das göttliche Wort empfängt und weitergibt. Gegenüber dem Pharao bekommt er fast die Stellung eines göttlichen Wesens. Wieder eine Stufe tiefer steht Moses Bruder Aaron. Wie ein Prophet überbringt er die Botschaft, die er empfangen hat. Erst an unterster Stelle findet man den Pharao, für den die Nachricht bestimmt ist. Im Gegensatz zur Geschichtsschreibung von Ägypten trägt er nicht einmal einen Namen. «Der HERR sagte zu Mose: Sieh, ich setze dich als göttliches Wesen für den Pharao ein. Und Aaron, dein Bruder, wird dein Prophet sein. Du wirst alles reden, was ich dir auftragen werde. Und Aaron, dein Bruder, wird es zum Pharao reden. Dann lässt er die Israeliten aus seinem Land ziehen.»

Von: Andreas Egli

6. Juni

Um Jerusalem her sind Berge, und der HERR ist um
sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit.
Psalm 125,2

Wenn israelitische Pilger in biblischer Zeit für ein Fest nach
Jerusalem reisten, stiegen sie hinauf ins Bergland von Judäa.
Die Stadt lag nicht ganz am höchsten Punkt, sondern in einer
leichten Senke. Sie war umgeben von Hügeln, die noch etwas
höher waren. Ganz in der Nähe befand sich der Ölberg mit
seinen drei Kuppen. Weiter entfernt waren andere, noch
höhere Erhebungen. Um sie alle zu sehen, musste man sich
beim Tempel einmal um die eigene Achse drehen. Mit dem
Stichwort «rings um» – gemäss hebräischer Wurzel – macht
der Psalmvers einen bildhaften Vergleich. Wie Jerusalem von
Bergen umgeben ist, so erhoffte sich die Stadt Schutz durch
Gottes Gegenwart und seine lebensfreundliche Macht.
«Jerusalem: Berge sind rings um es. Und der HERR ist rings
um sein Volk.» Dieses Bekenntnis drückte eine Hoffnung
aus, die aber keine Garantie war. Denn es war nicht vergessen,
dass man den gleichen Ausdruck brauchen musste, um
den Aufmarsch feindlicher Armeen zu beschreiben. Sie hatten
sich «rings um» Jerusalem aufgestellt, um die Stadt zu
belagern und schliesslich zu erobern. Neben das Vertrauen
auf Gott stellt der Psalm eine Warnung: Die Menschen sollen
sich nicht an ungerechten Machenschaften beteiligen. Und
am Schluss steht ein grosser Wunsch, der bis heute aktuell
ist: «Friede über Israel.»

Von: Andreas Egli

5. Juni

Gott spricht zum Frevler: Was redest du von
meinen Geboten und nimmst meinen Bund in
deinen Mund, da du doch Zucht hassest und
wirfst meine Worte hinter dich?
Psalm 50,16–17

Wie von einem Propheten hört man im Psalm ein Gotteswort
in direkter Rede. Was ist ein rechter Gottesdienst? Was
ist ein guter Umgang mit den göttlichen Geboten? Zwar
sollen die Israeliten viel von ihnen reden (5. Mose 6,7). Aber
ebenso wichtig ist die Frage, ob sie auf den Alltag eine Auswirkung
haben. Der eine kann ein Wort im Mund führen –
und es dann doch hinter sich werfen, sodass es wirkungslos
liegen bleibt. Dann tritt er zwar wie ein frommer Mensch
auf, ist aber eigentlich das genaue Gegenteil: ein Frevler, ein
Bösewicht. So sagt es der Zwischentitel, der vermutlich später
eingefügt wurde. Der andere geht so mit einem Bibelwort
um, dass er bestrebt ist, von ihm etwas zu lernen. Das ist
das positive Anliegen des Losungsverses. Der altertümliche
Ausdruck «Zucht» ist heute schwer verständlich. Zugänglicher
ist der Begriff, der in der griechischen Bibelübersetzung
gebraucht wird: paideia. Es geht um Erziehung, Bildung,
Unterweisung im Feld der Ethik. Im Leben soll ein Lernprozess
stattfinden, der das Verhalten prägt. Die folgenden
Psalmverse beziehen sich auf die Gebote im zweiten Teil der
Zehn Gebote. Sie halten Werte fest, die für das Verhältnis zu
den Mitmenschen grundlegend sind.

Von: Andreas Egli

6. April

Die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Jesaja 58,7

Der letzte Teil des Jesajabuchs geht von der befreienden Erfahrung aus, dass Juden aus dem babylonischen Exil nach Jerusalem zurückkehren konnten. Hier bauten sie nicht nur die Häuser der Stadt wieder auf, sondern richteten auch den Gottesdienst und das Leben nach den Geboten neu ein. Regeln, wie und an welchen Tagen man fasten sollte, waren ein grosses Thema. Das Kapitel 58 gibt dazu einen Diskussionsbeitrag: Könnte man das Fasten auch ganz anders verstehen? Im Vordergrund steht nicht der Verzicht auf Nahrung. Sondern es geht vor allem darum, eine neue Zuwendung zu den Mitmenschen einzuüben, die von Mitgefühl und Barmherzigkeit geprägt ist. Wie begegnet man denjenigen Menschen, die sich wegen ihrer Bedürftigkeit in einer schwächeren Position befinden und auf die Mitmenschlichkeit von anderen angewiesen sind? Gerade für sie müsste es möglich sein, in ihrer Notlage eine befreiende Erfahrung zu machen. «Bedeutet das Fasten nicht: für den, der Hunger hat, dein Brot brechen. Arme, die heimatlos sind, lässt du ins Haus kommen. Wenn du einen siehst, der keine Kleider hat, deckst du ihn zu.» Eine sehr ähnliche Aufzählung findet sich im Neuen Testament (Matthäus 25,35 f.). Das Losungswort zeigt: Die «Werke der Barmherzigkeit» sind keine christliche Erfindung, sondern haben ihre ursprüngliche Heimat im Judentum.

Von: Andreas Egli

5. April

Der HERR macht arm und macht reich;
er erniedrigt und erhöht.
1. Samuel 2,7

Ist es ein Naturgesetz? Die Verhältnisse bleiben, wie sie sind. Die Armen sind weiterhin arm oder werden noch ärmer, aber die Reichen können ihren Besitz vermehren. Nein, protestiert der Text, es könnte auch ganz anders herauskommen. Es könnte sein, dass sich die Rangliste plötzlich umkehrt, und dabei hat Gott seine Hand im Spiel. Ein Gebet, das nicht in die Sammlung der Psalmen aufgenommen worden ist, hat dies zum Thema (Verse 4–10). Bis zum Losungsvers hin könnte man denken, dass die Veränderung so oder so ausgehen könnte. «Der HERR lässt arm werden und er lässt reich werden. Er lässt niedrig werden und er erhöht.» Aber wenn man im Psalm weiterliest, wird es klar, dass er eine eindeutige Tendenz hat. Gott steht auf der Seite des Armen und hilft ihm, sich aufzurichten. Gott gibt dem, der wenig Macht hat, einen Ehrenplatz (Vers 8). Und am Schluss heisst es: Dem König des kleinen Landes Israel wird Stärke gegeben (Vers 10). Eindeutig ist der positive Umschwung auch in der Erzählung, in welche das Gebet eingefügt ist. Ein Paar musste lange auf die Erfüllung seines Kinderwunsches warten. Als kinderlose Frau war Hanna in der damaligen Zeit sehr benachteiligt. Umso grösser war ihre Dankbarkeit, als sie ein Kind zur Welt brachte. Ihr Sohn Samuel wurde einer der ersten Propheten.

Von: Andreas Egli

31. März

Alle deine Geschöpfe sollen dich preisen, HERR,
alle, die zu dir gehören, sollen dir danken!
Psalm 145,10

Der Psalm ist ein kunstvoll gestaltetes ABC des Gotteslobs. Jeder Vers beginnt mit einem Buchstaben des hebräischen Alphabets. Der Losungsvers mit dem Buchstaben J gibt dem Thema «Danken» eine grosse Spannweite. Auf der einen Seite sind alle Geschöpfe dazu aufgerufen, Gott zu danken. Auch die Menschen sind nur Geschöpfe, sie gehören zu den Werken, die Gott gemacht hat. «Er hat uns gemacht und nicht wir selbst.» (Psalm 100,3) So gesehen besteht zwischen Gott und Mensch ein maximaler Abstand. Auf der anderen Seite steht im Satz ein Wort, das von einer gegenseitigen Zugehörigkeit spricht. Es wird oft mit «Güte» oder «Gnade» (Vers 8) übersetzt. Es spricht von einer Solidarität, die dem anderen beisteht, auch wenn man nicht dazu verpflichtet wäre. Getreu ist Gott in allem, was er tut (Vers 17). Und «deine Getreuen» sind die Menschen, die zu Gott halten. Eine ähnliche Gegenseitigkeit gehört zum Wort «segnen», das auf Hebräisch in beide Richtungen verwendet wird (aber oft anders übersetzt ist). Gott sagt, dass es für die Menschen Segen gibt, er gibt ihnen Lebenskraft und Schutz. Und die Menschen sagen, dass es von Gott Segen gibt, und danken ihm dafür. «Danken sollen dir, HERR, alle deine Werke, und deine Getreuen sollen dich segnen.»

Von: Andreas Egli

6. Februar

Der HERR sprach: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. 1. Mose 8,21

Wie kann Gott darauf reagieren, dass im Denken des Menschen schlechte Pläne entstehen? Der Text von der grossen Flut stellt zwei verschiedene Optionen dar. Am Anfang der Erzählung bereut Gott, dass er den Menschen geschaffen hat. Denn «alles, was in seinem Planen und Denken geformt wird, ist nur böse den ganzen Tag» (1. Mose 6,5). Gott beschliesst, den Menschen vom Erdboden «wegzuwischen». Allerdings nicht ganz – in der Arche überlebt Noah mit seiner Familie. Das Losungswort steht dann am Ende der Flut-Erzählung. Jetzt entscheidet sich Gott für die zweite Möglichkeit: Nie wieder! Zwar hat sich wenig daran geändert: «Was im Denken des Menschen geformt wird, ist böse von seiner Jugend an.»
Aber nun kommt Gott in einem Selbstgespräch zu einem ganz anderen Schluss: «Nicht noch einmal werde ich die Erde verfluchen wegen dem Menschen. Und nicht noch einmal werde ich alles Lebendige schlagen, wie ich es gemacht habe.» Gott entscheidet sich, die Verfehlungen des Menschen zu ertragen, und gibt dem Leben eine dauerhafte Zukunft. Er wird es nie wieder zulassen, dass falsche Pläne des Menschen zur vollständigen Vernichtung führen. So bekommt der Mensch die Chance, aus Fehlern zu lernen.

Von: Andreas Egli

5. Februar

Der Knecht Gottes sprach: Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel. Jesaja 50,6

Der Prophet hat die Berufung, zu den Menschen zu reden, sodass sie neue Kraft finden, wenn sie müde sind (Vers 4). Gestärkt werden soll die Hoffnung, dass Gott zurückkehrt nach Jerusalem, dass es für das Volk eine Zukunft gibt. Aber nicht alle Angesprochenen sind für die gute Botschaft empfänglich. Bei denen, die gar keine Hoffnung mehr haben, kann die Niedergeschlagenheit in offene Aggression umschlagen. Der Prophet bekommt diesen Widerstand zu spüren. Leute geben ihm Schläge auf den Rücken, sie wollen die Haare seines Barts ausreissen. Sie beschimpfen ihn und spucken ihm ins Gesicht. Er lässt sich vom Gegenwind nicht entmutigen, sondern bleibt standhaft bei seinem hoffnungsvollen Auftrag.
Was gibt ihm die Kraft dazu? Die eine Kraftquelle ist, dass er als «Knecht» gelernt hat, auf Gott, seinen Herrn, zu hören –
immer wieder, jeden Morgen neu. Die zweite Kraftquelle ist die Überzeugung, dass diejenigen, die gegen ihn sind, nicht das letzte Wort haben werden. Weil Gott dem Propheten beisteht, werden sie ihm sein Vertrauen, seine Würde, seine innere Stärke nicht wegnehmen.
Alle Menschen, die Gott mit Ehrfurcht begegnen, können dies vom Knecht Gottes lernen.

Von: Andreas Egli

5. November

Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus
ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben,
damit sie in meinen Geboten wandeln und meine
Ordnungen halten und danach tun.
Hesekiel 11,19–20

Die Geschichte von Ezechiel gehört in die Zeit, als Jerusalem
von den Babyloniern erobert und zerstört wurde. Schon
zehn Jahre vorher war eine Gruppe von Juden nach Babylon
deportiert worden. Sie hatten einen brutalen Krieg hinter
sich, gewaltsam erzwungene Auswanderung, Gefangenschaft,
Verlust der Heimat. Neuere Forschung kommt zum
Schluss, das Ezechielbuch sei als «Trauma-Literatur» zu verstehen.
Die Texte versuchen, die seelischen Verwundungen
zu bewältigen, von denen ein ganzes Volk betroffen war.
Abschnitte wie das Losungswort drücken die Hoffnung aus,
dass es Heilung gibt im «Herz», im Zentrum von Denken
und Fühlen. Wo nach einem seelischen Trauma die Gedanken
von den Gefühlen abgeschnitten waren, soll es wieder
eine Verbindung geben (ein einiges Herz). Neue Lebensenergie
soll gefunden werden (neue Geistkraft). Wo das Denken
starr und schematisch war (ein Herz aus Stein), soll es wieder
lebendig, beweglich und zum Mitgefühl fähig werden (ein
Herz aus Fleisch). «Ich werde ihnen ein einiges Herz geben.
Und neue Geistkraft werde ich in ihre Mitte geben. Ich werde
das Herz aus Stein aus ihrem Fleisch entfernen. Und ich
werde ihnen ein Herz aus Fleisch geben.»

Von: Andreas Egli