Autor: Gert Rüppell

30. März

Er ist der HERR, unser Gott,
er richtet in aller Welt.
Psalm 105,7

Danket dem HERRN, verkündigt sein Tun. Singet ihm, redet von allen seinen Wundern! Rühmet seinen Namen; Fraget nach dem HERRN und nach seiner Macht, suchet sein Antlitz allezeit! Gedenket seiner Wunderwerke, die er getan hat, seiner Zeichen und der Urteile seines Mundes. Mit all diesen Aufforderungen führt der Psalmist zum Höhepunkt: «Er ist der HERR … er richtet in aller Welt!»
Ein nicht unwidersprochenes Wort in einer weitgehend säkularen Gesellschaft, deren Denken nicht unbedingt die Ruhmestrommel für Gott rührt, sondern eher für den ökonomischen und wissenschaftlichen Fortschritt. Was hat der Geist des Menschen doch alles geschaffen! Welche Grösse, welcher Ruhm ist ihm beschert. Hat da noch Gottesruhm Platz? Vermutet da noch jemand Gottes Wirken in all dem Fortschritt? Im hier zitierten Vortext zur Losung findet sich ein kleiner Satzteil, der mir wichtig geworden ist: «suchet sein Antlitz allezeit!» Dahinter steckt für mich die Gewissheit des Psalmisten, dass in unserem Tun und auch in unserem Unterlassen überall sein Antlitz ist, weil wir Gottes Ebenbilder sind. Er ist der Herr aller Dinge und so auch die Richtschnur! Mit leicht modifiziertem Wort des Psalmisten, die Richtung für alle Welt. Im Psalm folgt dann die Geschichte Israels. Dies kann uns als Verweis dafür dienen, wie Gott in allen geschichtlichen Details, auch unserer Geschichte, verborgen handelt.

Von: Gert Rüppell

29. März

Der HERR ist in seinem heiligen Tempel.
Es sei stille vor ihm alle Welt!
Habakuk 2,20

Sei stille, eine Aufforderung, die uns immer wieder eine sinnvolle Aufforderung sein sollte, gerade in Zeiten des Tumults, des Getöses und der Wichtigtuerei.
Sei stille, Welt, vor diesem Gott, der in seinem heiligen Tempel ist! Gott ist präsent in seinem Tempel, seinem Heiligtum, als das wir die Welt begreifen können. Sie, die durch Gott Existenz erfahren hat und weiterhin erfährt, ist durch Lärm, menschliches Wichtigtun bedroht. Dies scheint mir der Text sagen zu wollen. Deshalb: Sei stille, halte ein, nimm wahr.
Hinter uns liegt eine Zeit der grossen Worte von Menschen, die sich durch lautes Reden gross machen möchten. Ihnen stellt sich der Losungstext in den Weg. Sie und die tönende Welt fordert der Text auf zu meditativer Stille, zur Fokussierung auf das Wesentliche.
Auch der Losungsausleger muss sich sagen lassen: «Sei stille vor ihm, fokussiere dich auf seinen heiligen Raum, die Welt, seine Schöpfung.»

Von: Gert Rüppell

30. Januar

Der HERR ist meine Kraft. Habakuk 3,19

Dieser Satz könnte im Nachklang zur gestrigen Erzählung gelesen werden. Gott war die Kraft, die das Verhalten Davids und dann das Verhalten von Generationen nach ihm bestimmte. Gott bestimmte das Wesen und das Verhalten einer grossen Anzahl unserer Glaubensvorfahren, denen er Kraft für ihr Verhalten gab.
Oft fühle ich mich mutlos, wenn ich mich in der heutigen Gesellschaft umschaue. Nichts scheint so zu gelingen, wie ich es mir erhofft habe. Keine Gerechtigkeit, um die wir doch schon so lange ringen. Kein Frieden, für den wir uns doch schon so lange einsetzen. Ich erinnere nur an den Internationalen Versöhnungsbund. Keine Bewahrung der Schöpfung, sondern ein erweitertes Abholzen und Zupflastern der Erde. Die Ausbeutung der Ozeane, obwohl wir um die Konsequenzen wissen. Habakuk beklagt all dies mit seinen Worten und Beobachtungen. Wie mir geht es ihm darum, Gott zur scheinbaren Straflosigkeit der Bösen Fragen zu stellen und endlich um antwortendes Handeln zu bitten. Gott antwortet Habakuk und offenbart ihm, wie er Unrecht bestrafen wird. Habakuk wird aufgezeigt, dass Gott trotz scheinbarer Stille oder Inaktivität in schwierigen Zeiten am Werk ist und dass der Mensch aus diesem Glauben leben darf. Das gibt Habakuk Kraft.
Und wenn ich mich dann umschaue und sehe, was bereits geschehen ist, kann es gelingen, diese Gotteskraft zu erkennen und daraus Mut zu schöpfen.

Von: Gert Rüppell

29. Januar

Mein Leben werde wert geachtet in den Augen
des HERRN, und er errette mich aus aller Not!
1. Samuel 26,24

Ich muss den Text in seinem Zusammenhang lesen und da steht: «Wie ich dich, den Gesalbten des HERRN, verschont habe, so möge dieser HERR nun auch mich schonen.» Ist das eine Auge-um-Auge-Situation? David wird verschont, weil er seine Übermacht nicht ausgenutzt hat? Der noch einmal davongekommene Saulus lässt David laufen. Sieht er ein, dass er auf lange Sicht nicht der ausführende Gesalbte des HERRN sein wird? Offensichtlich. David zog seine Strasse, heisst es im Text, der damit auf den vor David liegenden Zukunftsraum verweist. Während Saul umkehrt, der Begriff «Ort» im Text ist ja viel weniger dynamisch als die Strasse, die vor David liegt. Nicht allein die Versöhnung, die sich aus nicht vollzogener Rache ergibt, spielt hier eine Rolle. Vielmehr ermöglicht die nicht vollzogene Gewalttat den Weg nach vorn. Der Segen verweist auf Lebensperspektive, einen Raum, der sich eröffnet, wenn Rachsucht, Hass und Gewalt nicht die Oberhand behalten. Dieser Text ist ein Aufruf zum Verzicht auf Rache. Nimm ein Symbol (wie David es tat), um deine friedvolle Absicht zu untermauern, dann errettet dich der HERR aus der Not und du wirst gesegnet.
Gebe Gott uns solche Weisheit und Einsicht für unser alltägliches individuelles und kollektives Verhalten.

Von: Gert Rüppell

14. Dezember

Warum hast du denn das Wort des HERRN verachtet,
dass du getan hast, was ihm missfiel?
2. Samuel 12,9

Die Vorgeschichte zum Vers ist eine Ungeheuerlichkeit. Sie
handelt von sexueller Gewalt und ihrer Vertuschung durch
einen Mord am Ehemann der Vergewaltigten. Eindeutig wird
Jahwes Gebot mit den Mitteln der Willkür übertreten. Daher
schickt Gott Nathan, seinen Sprecher. Der macht es spannend.
Er verurteilt David nicht; mit einer Geschichte von
der Habgier des Reichen, der mit niemandem teilen will
und deshalb das einzige Lamm des Armen schlachtet, als er
einen Gast bewirten muss, spricht er stattdessen über Arm
und Reich. Er spiegelt somit Davids Verhalten im Licht von
Macht! Nathan erzählt von einem, der seinen Willen zum
Gesetz macht, weil er weiss, dass er stärker ist als sein Gegenüber.
Macht siegt über Ohnmacht. Eine im Alltag keine so
ungewöhnliche Erfahrung. Beim Autofahren, beim Mobbing
in Betrieben, im Machtkampf politischer Parteien wird die
Würde der Schwachen missachtet, werden die Regeln zu
deren Schutz verletzt.
Es gilt zu beweisen, dass man stärker ist als sein Gegenüber.
David bekennt auf die obige Frage seine Schuld. «Ich habe
gegen den Ewigen gesündigt!» Eigenes Fehlverhalten einzugestehen,
keine Ausreden, keinen Sündenbock zu suchen,
gehört zum Schwersten in unserem Leben. Aber nur in
solchem Eingeständnis liegt die Chance, dass ich von dem,
was ich getan habe, freikomme und neu beginnen kann
unter der Gnade Gottes.

Von: Gert Rüppell

13. Dezember

Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich,
Gott anzuschauen.
2. Mose 3,6

Das kenne ich aus meiner Jugend, vielleicht die eine oder
der andere von euch auch. Ich hatte etwas Strafwürdiges
getan und so stand ich mit gesenktem Blick vor der Lehrerin.
Wie Mose fürchtete ich mich, sie anzuschauen. Hat also
Mose Angst vor Strafe? Die Geschichte vom brennenden
Dornbusch, jener Erstbegegnung von Mose und Jahwe, lässt
dies eher nicht vermuten. Mir scheint, dass der Verweis auf
die lange Geschichte Gottes mit den Vorfahren Moses und
seines Volkes ihn verschüchtert. Er erschrickt angesichts der
historischen Unermesslichkeit des göttlichen Schutzes, den
sein Volk erfahren hat und nun, in der Ansage, dass Gott
für die Unterdrückten ein Befreier sein will, einschneidend
neu erfährt. Die Losung verweist auf den entscheidenden
Punkt im Leben aller, die sich diesem Gott ausliefern. Es ist
der Punkt, wo wir im Zutrauen auf Gott Befreiung erfahren.
Aus Begegnung lernen, wie Menschen befreit werden.
Ähnlich wie Mose können wir zu Übermittlern Gottes
befreiender Absicht werden. Dabei lag, das zeigt der Text,
auf dem Weg der Befreiten, ihrem Auszug, die Begegnung
mit anderen Völkern. Der Umgang mit ihnen ist entscheidend.
Moses gesenkter Blick zeigt uns, dass wir nicht auf
Augenhöhe mit Gott sind, sondern dass seine Führung
für gelungene Geschichte nötig ist. Wir sind Hörende und
dann Handelnde. Ein solches Bewusstsein wird zeigen, ob wir
einen Auszug schaffen, der auch anderen zur Befreiung wird.

Von: Gert Rüppell

14. Oktober

Alles, was Odem hat, lobe den HERRN! Halleluja! Psalm 150,6

Als einen kosmologischen Paukenschlag könnte man diese Schlusszeile des gesamten Psalters bezeichnen. In den vorausgegangenen Abschnitten erscheinen, als Symbole für die göttliche Seinsweise, eine Vielzahl von Instrumenten. Bach hätte seine Freude daran gehabt. Dieses göttliche Symphonieorchester steht für die Grösse und die Vielfalt göttlicher Wirkmacht. Es ist zugleich Aussage über die verschiedenartige Klangkraft nicht nur der gesamten Schöpfung, sondern auch der vielfältigen Anbetungsformen und Namen, mit denen die Menschheit sich je dieser Wirkmacht genähert hat.
Da sind die Gänseblume und der Mohn, die Amsel und
der Kakadu, der Wal und die Schnecke, der Afrikaner, die Asiatin, der Europäer und die «Muheras negras» (Afrobrasilianerinnen). Der Rabbi und der buddhistische Lehrer, die Pfarrerin und die weise indigene Frau. Sie alle formen in der ihnen je eigenen Weise das grosse Halleluja, den grossen
Lobgesang, das Symphonieorchester Gott zu Ehren. Zusammen mit den Gläubigen in weltweiter Gemeinschaft gilt: Lobet die göttliche Wirkmacht, die sich in allem, wirklich in allem Ausdruck verschafft. Die Gewissheit, dass wir in unseren Gottesdiensten und Gebeten Teil dieser universalen Lobesgemeinschaft sind, stärkt mich und ich hoffe, Sie auch!

Von: Gert Rüppell

13. Oktober

Josef sprach zu seinen Brüdern: Ihr gedachtet es
böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut
zu machen.
1. Mose 50,20

Wieder ist der Losungstext, der aus der uns allen bekannten Josephsgeschichte stammt, ohne seinen Kontext nicht auszulegen. Geht es doch um eine Situation, die uns bekannt ist. Wie viele Familien kennen das! Nach dem Tod eines Angehörigen kommen alte Probleme, altes Misstrauen wieder an den Tag. Wird Joseph nach dem Tod des Vaters Jakob bei seiner Haltung bleiben, oder wird er nun seine Macht ausspielen, sich rächen? Die Brüder, wie oft auch wir, glauben nicht an die Kraft, Echtheit einmal vollzogener Versöhnung! Es bleibt Skepsis. War Josephs Vergebung echt? Letztlich wirft die Frage ja einen Schatten auf das eigene Verständnis davon, ob wir der uns zugesprochenen Vergebung, Gnade, im zwischenmenschlichen, aber auch im göttlichen Raum vertrauen. Und vergib uns unsere Schuld. Glauben wir an die Erfüllung dieser sonntäglich an Gott gerichteten Bitte? Glauben wir im zwischenmenschlichen Bereich daran, dass uns Unrecht, das wir begangen haben, vergeben wird, ein Neuanfang möglich ist? Wollen wir Vergebung annehmen?
In Zeiten, in denen Hass und Unfrieden vieles in unseren Gesellschaften bestimmt, ist die Bejahung von Versöhnung umso zentraler. In diesem Sinn: Gott gedenkt auch heute, es mit uns gut zu machen. Schenken wir diesem Gott unseren Glauben, unser Vertrauen.

Von: Gert Rüppell

14. August

Der HERR, dein Gott, hat dein Wandern durch diese
grosse Wüste auf sein Herz genommen.
5. Mose 2,7

Dieser Text hat für mich zwei Botschaften. Zum einen ist hier,
im 5. Buch Mose, noch einmal der Auszug aus Ägypten, der
grosse Akt der Befreiung, ins Visier genommen. Er enthält
spannende Elemente, etwa wenn er auf das göttliche Gebot,
sich nicht an der einheimischen Bevölkerung zu vergehen, verweist.
Die Flüchtenden sollen normalen Handel treiben mit
den Menschen, deren Gebiet sie durchwandern müssen. Gott
tritt mit seiner Mahnung «Speise sollt ihr für Geld kaufen»
als Garantiemacht auf. Ich habe euer Wandern an mein Herz
genommen, es zu meiner Herzensangelegenheit und somit
zum Akt des Wohlergehens aller Menschen, die in dieser
grossen Wüste leben, gemacht. Nicht zu einer Bedrohung. Mit
der Aufforderung «Fangt keinen Krieg mit ihnen an» wird
die Erzählung der Landnahme zu einem friedvollen Narrativ.
Zum anderen spricht der Text unmittelbar zu uns heute!
Zu uns, die wir vieles von dem, was uns gegenwärtig begegnet,
für den Ausdruck grosser «Trockenheit» und Mühsal,
grosser Verwüstung aller uns lebenswichtigen Werte und
Hoffnungen erfahren und deuten. Nicht unweit von der
Erfahrung der hebräischen Auswanderer können aber auch
wir auf Gott als Garantiemacht schauen, die uns in diesen
scheinbaren Ausweglosigkeiten zu Mitmenschlichkeit und
Trost ruft. Uns, die wir in seinem Herzen, seiner Seinsmitte
leben.

Von: Gert Rüppell

13. August

Singet dem HERRN ein neues Lied;
singet dem HERRN, alle Welt!
Psalm 96,1

Neu soll das Lied sein, fordert der Psalmist uns auf. Und doch
setzt er fort, was bisher den Psalter bestimmte, das überschwängliche
Lob Gottes. So endet es auch – mit den Worten:
«Alles, was Odem hat, lobe den Herrn» (Psalm 150,6).
Singen ist eine wunderbare Weise, unseren Glauben zum
Ausdruck zu bringen. Dies wissen alle, die in Kantoreien
und Singkreisen aktiv sind. Und auch wir Gemeindeglieder
kennen das herrliche Gefühl, wenn im Gottesdienst ein
uns ans Herz gewachsenes Lied gesungen wird: «Grosser
Gott, wir loben Dich» etwa. Nicht nur, dass wir in unseren
Kirchen je einheimische Kirchengesangbücher haben, nein,
die Aufforderung des Psalmisten ist ja längst ökumenische
Realität geworden, indem wir nicht nur Lieder von Christen
anderer Kulturen in unsere Gesangbücher aufgenommen
haben. Auch gibt es ja ganze Gesangbücher, die, gemäss
der Aufforderung des Psalmisten, uns diesen weltweiten
Lobpreis Gottes nahebringen. Alle Welt singt! Ich entsinne
mich an frühe Zeiten der ökumenischen Bewegung, als wir
aus «Cantate Domino» sangen. Dann wurde es «Thuma
Mina». Für die Vollversammlungen tragen Christen aus aller
Welt Liedgut zu den Feiern zusammen. In meiner Gemeinde
ist das Liederbuch «Lieder zwischen Himmel und Erde» eine
wichtige Quelle. Die Verbindung mit Gotteslobenden aus
aller Welt ist eine wunderbare Angelegenheit. Dem Psalmisten
sei Dank für diese Ermutigung.

Von: Gert Rüppell