Autor: Barbara Heyse-Schaefer

22. August

Nehmt euch in acht bei eurem Tun, denn beim HERRN, unserem Gott, gibt es keine Ungerechtigkeit und kein Ansehen der Person und keine Bestechlichkeit. 2. Chronik 19,7

Dieser Tage wurde in Österreich ein früherer Finanzminister wegen Bestechung und Schmiergeldzahlung zu einigen Jahren Gefängnis verurteilt – welch ein Skandal!
Gerechtigkeit ist ein hohes Ideal – aber wer von uns kann sicher sagen, dass er oder sie völlig unbestechlich sei? Wie leicht verfallen wir der Versuchung, Unterschiede zu machen: Wer ist mir sympathisch? Wer kann mir nützen? Schon beginnt das Abwägen.
Gott aber urteilt anders. Ohne Ansehen der Person. Ohne Vorurteil. Bei Gott zählt nicht, was wir scheinen: nicht Macht, nicht Herkunft, nicht Leistung, nicht Ruf.
Diese Gerechtigkeit ist unbequem – besonders dann, wenn wir merken, wo wir selbst voreingenommen sind oder Menschen übersehen, die uns nichts «bringen». Doch sie ist auch ein Kompass: Gottes Gerechtigkeit lädt uns ein, hinzuschauen, wo wir anders urteilen würden als er.
Der Satz aus der Chronik ist eine Erinnerung daran, dass es einen Massstab jenseits unserer Massstäbe gibt. Einen, der nicht korrumpierbar ist. Nicht von Angst, nicht von Gefälligkeit, nicht von Geld. Diese göttliche Unbestechlichkeit fordert uns heraus – und schützt zugleich unsere Würde. Denn vor Gott ist niemand bevorzugt. Aber auch niemand vergessen.

Von: Von: Barbara Heyse-Schaefer

21. August

Gott spricht: Im Schweiss deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du zum Erdboden zurückkehrst, denn von ihm bist du genommen. Denn Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück. 1. Mose 3,19

Ich habe meine Kinder lange gestillt. Als sie das erste Mal anderes assen, hielt ich meine Wonneproppen im Arm und sinnierte: Alle 7000 Gramm sind durch meinen Körper gegangen – Fleisch von meinem Fleisch. Bald werden sie Karotten und Kartoffeln essen, gewachsen in Mutter Erde. Auch Brot und Fleisch stammen letztlich aus dem Boden – sei es das Getreide für Mehl oder das Gras, das Tiere fressen.
Doch wir haben den Ursprung unserer Nahrung oft aus dem Blick verloren. Statt Schweiss und Mühe sehen wir die geschönten Bilder der Werbung. Dabei ist Nahrung das, was uns tief mit der Erde verbindet. Und einst kehrt unser Körper zu ihr zurück – als Staub oder Asche. Das mag manchen Menschen Angst machen, mich tröstet es: Ich bin Teil eines grossen Kreislaufs – wunderbar eingerichtet!
Beim Essen bin ich auch mit allen Menschen verbunden: «Kumpane» kommt von com-panio – «der das Brot mit mir teilt». Nahrung verbindet uns mit denen, die sie essen – und mit denen, die sie herstellen. Auch wenn Maschinen heute viel Arbeit abnehmen: Viele Lebensmittel kommen aus weit entfernten Ländern, oft unter ausbeuterischen Bedingungen produziert. Auch das steckt in unserem Brot. Auch damit bin ich verbunden.

Von: Barbara Heyse-Schaefer

22. Juni

Der HERR zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule,
um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht
in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten.
2. Mose 13,21

Unlängst war ich mit einer Freundin auf einer Rundreise in
Kuba. Wir erlebten oft nächtliche Stromausfälle. Wie dankbar
waren wir über die Stirnlampe, die wir immer dabeihatten.
Sie half uns, nachts in einer fremden Stadt zurück ins
Quartier zu finden.
Wie oft wünschen wir uns in unserem Leben solch eine verlässliche
Orientierung – ein Licht, das uns den richtigen Weg
weist. In der Bibel lesen wir von der Wolken- und Feuersäule,
die das Volk Israel begleitete. Heute erleben wir Gottes Führung
oft weniger offensichtlich. Manchmal müssen wir uns
im Dunkeln vorantasten, ohne eine leuchtende Säule oder
ein anderes sichtbares Zeichen vor uns.
Doch das bedeutet nicht, dass wir allein sind. Gottes Gegenwart
zeigt sich auf andere Weise – durch Menschen,
die uns begleiten, durch innere Überzeugungen oder durch
Momente, in denen wir spüren: Hier geht es weiter. Manchmal
erkenne ich diese Begleitung erst sehr viel später. Diese
Erfahrungen lehren mich: Auch wenn ich keine Feuersäule
sehe, keine Notfall-Stirnlampe dabeihabe, darf ich darauf
vertrauen, dass Gott mich nicht im Dunkeln allein stehen
lässt. Kennen Sie auch solche Erfahrungen?

Von: Barbara Heyse-Schaefer

21. Juni

Danket dem Herrn aller Herren, der allein grosse
Wunder tut, denn seine Güte währet ewiglich.

Psalm 136,3.4

Nicht immer ist mir zum Danken zumute. Gleich fallen mir
all die kleineren und grösseren Probleme ein: die Beschwerden
des Älterwerdens, der Ärger mit Mitarbeiter:innen, die
Probleme mit der zunehmenden Digitalisierung. Das Leben
auf diesem Planeten ist oft voll Mühsal und Plage. Dabei geht
es mir insgesamt doch gut.
Dennoch – das Danken bleibt meine bewusste Entscheidung.
Wenn ich innehalte und meine Gedanken nicht nur
um das kreisen lasse, was mir Sorgen bereitet, erkenne ich:
Es gibt so vieles, wofür ich dankbar sein kann. Die Gesundheit,
die ich noch habe. Die Menschen, die mich begleiten.
Die kleinen Freuden des Alltags: ein Sonnenstrahl, ein Vogelzwitschern,
ein freundliches Wort, ein gutes Gespräch …
Gerade in schwierigen Zeiten will ich mich durch den
Psalm 136 daran erinnern lassen, dass Gottes Güte beständig
ist. Auch wenn ich mich mutlos fühle, bleibt Gott derselbe:
treu, gütig, voller Liebe. Vielleicht hilft es mir, den Blick
immer wieder auf das Gute zu lenken, das er mir schenkt –
nicht als Ignoranz gegenüber dem Schwierigen, sondern als
ein Akt des Vertrauens. Danken verändert meine Perspektive.
Es macht mir bewusst, dass ich nicht allein bin, dass
Gottes Wunder – grosse und kleine – mich umgeben, auch
wenn ich sie nicht immer sofort erkenne. Im Danken öffnet
sich mein Herz für neue Kraft, neue Hoffnung und Freude.

Von: Barbara Heyse-Schaefer

22. April

Wir gingen alle in die Irre wie Schafe,
ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR
warf unser aller Sünde auf ihn.
Jesaja 53,6

Wir alle gehen gelegentlich in die Irre. Betrachte ich im Moment die Welt, scheint es mir, als fehle oft der Blick für den gemeinsamen Weg, während viele nur ihren Vorteil suchen. Der heutige Vers regt mich an, über Schuld, Verantwortung und Leid, aber auch über Solidarität und Heilung nachzudenken – und viele Fragen zu stellen:
– Ist «Sünde» das passende Wort, um zu beschreiben, was passiert, wenn die Menschheit den Durchblick verliert und daher den richtigen Weg nicht findet?
– Wer trägt die Verantwortung? Braucht es einen «Gottesknecht», eine starke religiöse Führungspersönlichkeit, die stellvertretend für uns handelt?
– Ist Leid tatsächlich notwendig, das heisst nötig, um Not zu wenden? Eine der zentralen Frage des christlichen Glaubens! Dürfen wir diese Bibelstelle aus Jesaja auf Jesus Christus beziehen?
– Ist stellvertretende Übernahme nötig oder eine Ausrede, um unsere Verantwortung abzuwälzen? Menschen können gemeinsam neue Wege finden. Jesus sagt doch: «Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue.» (Johannes 14,12)
– Wie könnte Heilung für unsere Welt aussehen? Solidarität und gemeinsames Handeln sind zentrale Bausteine. Vertrauen, dass es möglich ist, gehört ebenso dazu.

Von: Barbara Heyse-Schaefer

21. April

Für uns gilt: Nur einer ist Gott – der Vater.
Alles hat in ihm seinen Ursprung, und er ist
das Ziel unseres Lebens. Und nur einer ist der Herr: Jesus Christus. Alles ist durch ihn entstanden, und durch ihn haben wir das Leben.
1. Korinther 8,6

Dieses euphorische Bekenntnis führt uns am Ostermontag mitten ins Zentrum unseres Glaubens: Gott, Quelle und Ursprung unseres Lebens, ist auch unser Ziel. Und Jesus Christus ist der Weg, der uns mit dieser Quelle verbindet. Mit seiner Auferstehung feiern wir die Erneuerung allen Lebens.
Ostern ermutigt uns, unser Leben auf dieses Zentrum hin auszurichten. Es erinnert uns daran, dass wir nicht nur Geschöpfe sind, sondern auch Mitarbeiter:innen der Schöpfung und zur Gemeinschaft berufen. Von Jesus Christus dürfen wir lernen, wie unsere Beziehungen lebendig, tragend und von Liebe erfüllt sein können.
Dieser Glaube lädt uns ein, das Geschenk des Lebens in all seinen Facetten zu feiern und darauf zu vertrauen, dass Gott uns auch in dunklen Zeiten hält und führt. Heute, am Ostermontag, dürfen wir darum einstimmen in das Lob des Lebens: Alles kommt von Gott – und alles führt zu ihm zurück. Durch Christus wird unser Leben zu einem neuen Lied.
Frohe Auferstehung!

Von: Barbara Heyse-Schaefer

22. Februar

Selig sind, die da hungert und dürstet nach
der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
Matthäus 5,6

In den letzten Jahren entwickelte sich eine Tendenz zur allgemeinen Verrechtlichung. Immer mehr Menschen klagen dies oder jenes ein und machen Firmen zum Beispiel für ihr Übergewicht oder ihre Zuckerkrankheit verantwortlich. Mehr Verstand und Eigenverantwortung wären wohl hilfreicher.
Manche Menschen, die Jesus in der Bergpredigt anspricht, haben gar keine Möglichkeit, ihr Recht einzufordern. Sie haben auch ein ganz anderes Verständnis von Gerechtigkeit. Dieses will nicht nur individuelles Recht, sondern will die bestehenden Verhältnisse von Grund auf transformieren und die Kluft zwischen Reich und Arm, Hungernden und Satten schliessen. Im Einzelfall rät Jesus sogar dazu, auf das formale Recht zu verzichten und dem Feind auch die linke Backe hinzuhalten. Auch das kann ein subversiver Akt sein, das Gegenüber zu beschämen und eine grössere Perspektive aufzuzeigen.
Gerechtigkeit ist einer der zentralen Begriffe von Jesu Verheissung vom Reich Gottes. Hier wird das soziale Unrecht aufgehoben und neue menschliche Beziehungen werden begründet.
Jesus preist die Menschen glücklich, die sich nach dieser Gerechtigkeit sehnen, wie ein Hungernder nach einem Stück Brot.

Von: Barbara Heyse-Schaefer

21. Februar

Weide dein Volk mit deinem Stabe. Micha 7,14

Vor meinem inneren Auge sehe ich saftige Weiden und assoziiere zunächst idyllische Landschaften der barocken Schäferdichtung.
Dann erinnere ich mich an die soziale Ungerechtigkeit und Verderbtheit, die der Prophet Amos ankreidet, und sofort wendet sich das Bild. Amos wird nicht müde, die Verwüstung der Gemeinschaft als Folge von Rechtsbrüchen aufzuzeigen.
Mir fallen viele Diskussionen um die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft und ihre Ursachen ein. Der politische Rechtsruck gibt mir Anlass zur Sorge. Wohin gehen wir? Was können wir zu einem guten Miteinander beitragen und wie das gegenseitige Verständnis fördern?
Amos setzt sein Vertrauen in die Fürsorge Gottes, der mit seinem Volk mitgeht und es mit seinem Stock behüten möge.
Mir fällt der Stab des Moses ein, mit dem er das Rote Meer teilt, und tatsächlich heisst es im folgenden Vers 15 «Lass uns Wunder sehen wie zur Zeit, als du aus Ägyptenland zogst». Wie ein Schäfer mit seinem Hirtenstab möge sich Gott um seine Herde kümmern und sie beschützen, bittet Amos.
Gleich regt sich in mir Widerstand: Ich will kein Schaf, kein dummes Herdentier sein. Doch parallel zu meinem ach so stolzen protestantischen Freiheitsstreben steckt auch in mir der Wunsch, von Gott geführt und geleitet zu werden:
Weide dein Volk mit deinem Stabe.

Von: Barbara Heyse-Schaefer

27. November

Uns, HERR, wirst du Frieden schaffen; denn auch alles,
was wir ausrichten, das hast du für uns getan.
Jesaja 26,12

Die Sehnsucht nach Frieden ist gross! Doch da ist so viel
Kriegsgeschrei und Waffengeklirr, die Macht der Herrschenden
will erhalten bleiben, die Gewinne der Rüstungsindustrie
ebenso, die Pazifisten machen sich lächerlich …
Ich lese voll zweifelnder Hoffnung eine Erklärung aus Südafrika:
«Es ist nicht wahr, dass Gewalt und Hass das letzte
Wort behalten und dass Krieg und Zerstörung gekommen
sind, um für immer zu bleiben. Es ist nicht wahr, dass wir
Unmenschlichkeit und Diskriminierung akzeptieren müssen,
Hunger und Armut, Tod und Zerstörung. Es ist nicht
wahr, dass unsere Träume von Gerechtigkeit, von Menschenwürde,
von Frieden nicht für diese Erde und ihre Geschichte
gedacht sind.»
Was kann ich für den Frieden tun? Demonstrieren? Schreiben?
Predigen? Mein Geld nicht in Waffenproduktion anlegen?
Auf Gott hoffen? Im Kleinen anfangen?
Eine Freundin erzählt mir, sie habe sich vorgenommen in
nächster Zeit in ihrem Umfeld Frieden zu schaffen. Ich frage,
wie sie das macht. Sie habe etwa ihren Sohn nach einem
Streit angerufen und die Sache ausdiskutiert. Klingt einfach.
Ich habe auch schon öfter im Streit zu vermitteln versucht.
War gar nicht einfach, so zwischen den Fronten.
Einen Versuch ist es allemal wert!

Von: Barbara Heyse-Schaefer

26. November

Fürwahr, du bist ein verborgener Gott,
du Gott Israels, der Heiland.
Jesaja 45,15

Wo komme ich her? Warum bin ich auf der Welt? Warum
lebe ich an diesem Ort, mit diesen Eltern? Fragen, die sich alle
Menschen irgendwann stellen, besonders in der Pubertät und
in Zeiten der Krise. Als Mutter einer Pflegetochter weiss ich,
dass sich für Adoptivkinder diese Fragen besonders dringlich
stellen. Unsere Identität ist auch abhängig von den Menschen,
die uns in die Welt setzten. Doch: Selbst wenn ich meine Eltern
nicht kenne, heisst das nicht, dass es sie nicht gibt.
Wer in Gedanken noch tiefer geht, fragt nach dem Ursprung
des Lebens. Kann Gott zugleich verborgen und die Quelle,
der Retter meines Lebens sein? Natürlich, denke ich, kann
Gott unsichtbar helfend in unser Leben eingreifen. Doch wir
Menschen wollen mehr, mehr von Gott begreifen, erfahren.
Jesaja erzählt von seinen Erfahrungen mit Gott, obwohl er
ihn gleichzeitig als verborgen bezeichnet. Für ihn ist Gott
zum Retter geworden, weil er sein Volk aus dem Exil in Babylon
befreit hat. Er ist beides zugleich: ein verborgener Gott
und ein Heiland. Nicht sichtbar – und doch wirksam.
In Anlehnung an George MacLeod, den Gründer der Iona
Community, nenne ich es das «unsichtbare Sehen», das nur
mit den Augen des Glaubens möglich ist. Ganz schön wunderlich,
erstaunlich, ungewöhnlich – wunderbar!

Von: Barbara Heyse-Schaefer