Jesus antwortete ihnen: Mein Vater wirkt bis auf diesen Tag, und ich wirke auch. Johannes 5,17

Indem Jesus den Kranken am Teich von Betesda zum Aufstehen bewegt, riskiert er den Konflikt. Und ich gerate mit dem Bibeltext in Konflikt. Ich lese weiter: «Da suchten die Juden erst recht eine Gelegenheit, ihn zu töten, weil er nicht nur den Sabbat auflöste, sondern auch Gott seinen Vater nannte und sich selbst Gott gleichmachte» (Johannes 5,18). Ich denke an die grausame Wirkungsgeschichte solcher Zeilen. Die Fratze des Antisemitismus begegnet mir bis heute in Hasstiraden und getarnt in verschwörerischem Geschwurbel.
Jesus antwortet auf den Vorwurf, er habe am Sabbat geheilt und das Gesetz missachtet. Er beruft sich auf Gott und seine eigene Göttlichkeit. Und vor allem gewichtet er die Menschlichkeit, die Notwendigkeit, sich dem leidenden Menschen zuzuwenden, höher als das Gesetz.
Die Liste der Menschen, die geächtet wurden, weil sie sich auf höhere Ideale beriefen und sich im Dienst der Menschlichkeit über Bürokratie und Gesetz hinwegsetzten, ist lang. Oft gehörten sie zu jenen, die sich dem christlich verbrämten Antisemitismus widersetzten. Vielleicht legt der Text auch diese Spur: Jesus, und damit Gottes Kraft in ihm, will, dass den Menschen, die für die Nächstenliebe mit den Konventionen brechen, keine Steine in den Weg gelegt werden.
Von: Felix Reich