Ihr trinkt den Wein kübelweise und verwendet
die kostbarsten Parfüme; aber dass euer Land in
den Untergang treibt, lässt euch kalt.
Amos 6,6

Es ist eine kunstvoll komponierte Wutrede, zu der Prophet Amos anhebt. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Samaria frönen dem Genuss, ihr Luxus wird zum perversen Gottesdienst. Der Prophet geisselt das Luxusleben vor allem deshalb, weil es auf Gewalt gebaut ist und mit der prekären Lage im Land kontrastiert. Doch nicht nur moralisch haben die Menschen versagt, zur Ignoranz gesellt sich die Unfähigkeit, weil sie «sich zum Klang der Harfe versuchen und sich für David halten an den Instrumenten» (Amos 6,5).
Der Text ist beklemmend aktuell. Dass Wohlstand auch auf Ausbeutung von Menschen und dem Raubbau an den natürlichen Ressourcen basiert, ist keine neue Erkenntnis. Und auch das Gesetz der Trägheit bleibt wirksam: Wir verschliessen davor lieber die Augen und das Handeln und insbesondere der Verzicht fallen uns unfassbar schwer, selbst wenn wir hinsehen. Die Frage, ob die prophetische Wutrede, welche die Grenze zur Beschimpfung ritzt, tatsächlich weiterhilft, oder doch die kleinen Schritte der guten Taten und eine liebevolle, auf Verständigung ausgerichtete Sprache die Menschen zur Umkehr zu bewegen vermag, lässt die Bibel offen. Sie erzählt von beiden Strategien und ringt um eine Antwort. So wie wir.

Von: Felix Reich