Freut euch immerzu, weil ihr zum Herrn gehört.
Philipper 4,4

Lieber Paulus
Du bist ein eifriger Briefschreiber, daher kommt heute, etwas
verspätet, Post von mir. Ob du dich selbst immerzu gefreut
hast, will ich wissen. Vor Gericht? In Seenot? Auf der Flucht?
Angesichts der Korinther und ihrer unnötigen Streitereien?
Ich glaube dir nicht, dass dich die Freude nie verliess. Wer es
heute versucht mit der permanenten Begeisterung, hat dann so
ein aufgesetztes Grinsen, das ich überhaupt nicht leiden kann.
Weder an Kirchtüren sonntags noch an Bankschaltern montags.
Ein paar Unentwegte strengen sich für die Dauerfreude
richtig an. Auch, weil Friedrich Nietzsche, ein Pfarrerssohn,
einmal befand, Christen müssten erlöster aussehen, wenn er an
ihren Erlöser glauben sollte. Manche stresst dieser provokante
Philosophenspruch. Mich nicht. Ich gucke lieber abwechslungsreich
in die Welt hinaus, denn Freud und Leid sind so nahe
beieinander, dass ich beides gelegentlich gleichzeitig empfinde.
Dann danke ich Gott innig und stelle ihm zugleich ein paar
ernste Fragen. Dann lache ich mit einem Auge und weine mit
dem anderen. Dann wird mir warm ums Herz, aber der Kopf
bleibt widerspenstig. Dann beginne ich zu hoffen, aber zweifle
im selben Moment. Ich halte es mit den Psalmisten: Sie haben
geklagt und geschrien, dann aber auch überschwänglich Gott
gelobt, von einem Vers auf den anderen.
Herzliche Grüsse von einer, die sich freut, so oft sie kann.

Von: Dörte Gebhard