Schlagwort: Katharina Metzger

23. September

Gott hat uns nicht zur Unsittlichkeit berufen, sondern zu einem Leben in Heiligkeit. 1. Thessalonicher 4,7

Heute hatte ich mit einer 8. Klasse die letzte Musikstunde vor den Sommerferien. Wir spielten «Werwölfe», wie das halt so ist, wenn man noch eine Stunde zu füllen hat. Die Jugendlichen selbst waren die Spielleiter. Und sie redeten auch in ihrer eigenen Sprache, das heisst, sie benannten sich auch ab und zu mit Wörtern, die abwertend waren, für sie aber wahrscheinlich «nur Spass» waren. Nicht Ernst. Irgendwann kam dann ein begabter Spielleiter, der sie alle in Bann zog, und die Schimpfwörter waren weg. Zum Glück. Aber ich habe mich später geschämt. Dafür, dass ich nicht entschiedener aufgetreten bin und nur ein paar kraftlose, zischende Zurechtweisungen von mir gegeben habe. Das Ganze nicht mehr thematisiert habe. Dabei hatte ich doch gerade noch eine Sendung am Radio gehört, in der es darum ging, wie gefährlich es ist, wenn wir uns an Gewalt in der Sprache gewöhnen. Dass dann auch andere Formen von Gewalt salonfähiger werden.
Ich bin überzeugt, die genannten Jugendlichen sind und werden alle keine unsittlichen Menschen. Das Unsittliche fällt diesmal auf mich, denn ich bin erwachsen. Und ich finde den Satz wunderbar, der dem Vers folgt: dass Gott doch seinen Heiligen Geist in die Menschen gelegt habe. Also soll auch ich Hüterin davon sein. Vom Heiligen Geist in mir. In meinen Mitmenschen. In unserem Zusammenleben.

Von: Katharina Metzger

22. September

Ich habe nicht meine eigene Gerechtigkeit, die aus
dem Gesetz kommt, sondern jene Gerechtigkeit
durch den Glauben an Christus, die aus Gott kommt aufgrund des Glaubens.
Philipper 3,9

Ich war einmal an einem Kurs, in dem es um Wahrnehmung ging. Die Kursleiterin sprach von «Glaubenssätzen», die sich in uns festigen. «Ich bin gut so, wie ich bin» oder «Nur wenn ich allen alles recht mache, werde ich geliebt» sind zwei unterschiedliche Beispiele dafür. Durch diese Glaubenssätze «filtern» wir dann auch, wie sich die anderen zu uns verhalten. Zur Veranschaulichung dieser «Filter» hat die Kursleiterin ein Bild mit vielen unterschiedlichen Brillen gezeigt und gesagt: «Alle haben ihre eigene Wahrheit.»
Warum komme ich darauf? Zuerst einmal, weil Paulus gerade nicht einer ist, der für ein gleichberechtigtes Nebeneinander unterschiedlicher Auffassungen steht. Ihm geht es klar darum, dass sich die Gemeinden an Jesus Christus ausrichten. Weiter vorne aber spricht Paulus von seiner Herkunft und seiner damaligen Überzeugung, durch seine Ausrichtung am Gesetz und durch seine Taten ein «Gerechter» gewesen zu sein. Die Loslösung von diesen «Glaubenssätzen» muss heftig gewesen sein – und befreiend, so, wie es auch das Erkennen und Sich-Lösen von unseren eigenen Glaubenssätzen sein kann.
Und Paulus? Er möchte Christus gewinnen und in ihm sein, in seinen Leiden, seinem Tod, seiner Auferstehung.

Von: Katharina Metzger

23. Juli

Der HERR führte mich hinaus ins Weite,
er befreite mich, denn er hat Gefallen an mir.
Psalm 18,20

Gott führt mich hinaus ins Weite. Er führt mich in ein angstfreies
Land. Dort öffne ich meine Arme weit, atme tief die
frische Luft, schliesse die Augen, spüre den Boden unter mir.
Dort bleibe ich stehen, so lange ich will. Dort wandere ich
weiter, so weit ich will. Dort lege ich mich schlafen, wann
ich will.
Die Menschen dort schauen mich an, interessieren sich für
mich, lassen mir und sich Zeit für Antworten.
Ich darf bei ihnen sein. Ich kann zuhören, zuschauen, mitmachen,
lernen.
Es gibt dort zu essen, zu trinken, es gibt Raum und Zeit.
Und die Menschen haben keine Angst, zu singen, auch
diejenigen, die nicht so gut singen können.
So stelle ich mir die Weite vor, in die mich Gott führt.
Ich frage meinen Partner, wie er sich ein angstfreies Land
vorstellt.
Er stellt sich ein Land vor, wo die Menschen nicht vor dem
Fremden Angst haben, sondern vor dem, was in ihren eigenen
Reihen bedrohlich ist.
Er stellt sich ein Land vor, in dem alle Leute aufgeklärt sind
und wo deshalb die Demokratie funktioniert.
Gott führt uns in die Weite. Und er selbst ist die Weite, das
Land ohne Angst, in dem wir uns geborgen fühlen dürfen.

Von: Katharina Metzger

22. Juli

Jesus spricht zu Simon Petrus: Simon, Sohn
des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm:
Ja, Herr, du weisst, dass ich dich lieb habe. Spricht
Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
Johannes 21,16

Die Szene spielt nach dem Kreuzestod Jesu und seiner Auferstehung.
Einige Jünger befinden sich am See von Tiberias.
Sie gehen fischen, fangen aber die ganze Nacht über nichts.
In der Morgendämmerung erscheint ein Mann am Ufer und
sagt ihnen, sie sollen das Netz auf der rechten Seite des Bootes
auswerfen, woraufhin sie reichlich Fische fangen. Die Jünger
erkennen den Mann als Jesus, und dann geschieht etwas
Seltsames: Petrus zieht sich sein Gewand an, wirft sich ins
Wasser und schwimmt ans Ufer. Dort teilt Jesus am Kohlefeuer
Fisch und Brot mit den Jüngern und spricht mit Petrus.
Warum ist Petrus wohl ins Wasser gesprungen? Schämt er
sich wegen seines Verrats an Jesus? Oder ist dieses Eintauchen
ins Wasser, in dieses lebensspendende Element, eine
Vorbereitung auf das, was jetzt kommt? Jesus fragt ihn nun
dreimal, ob er ihn liebe. Petrus bejaht dies dreimal, wird aber
auch traurig, weil Jesus ihn dreimal fragt. Ich stelle mir vor,
dass diese Traurigkeit auch die Erkenntnis der Schwierigkeit
ist, bedingungslos zu lieben und sich ohne Angst um das
eigene Leben, das eigene Ansehen einem Menschen oder
einer Aufgabe hinzugeben. Genau dies wird aber Grundlage
sein für die Aufgabe «Weide meine Schafe!».

Von: Katharina Metzger

23. Mai

Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem
Knecht: Geh schnell hinaus auf die Strassen und Gassen
der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und
Blinden und Lahmen herein.
Lukas 14,21

Die Geschichte hat einen kleinen Schönheitsfehler: Der
Hausherr hat nämlich zuerst andere, wohlhabende Leute
eingeladen, die nun plötzlich nicht kommen können. Darüber
ist er wütend, öffnet dann aber sein Haus, in dem alles
schon bereitsteht, für die Randständigen. Dann hört die
Geschichte ohne weitere Erklärung auf. Man erfährt nicht,
wie dieses Gastmahl verlaufen ist, ob es eine einmalige
Begegnung war oder ob das gemeinsame Essen die Teilnehmenden
einander nähergebracht hat.
Trotzdem, eine schöne Geschichte, die ich noch in einer
anderen Version kenne, in «Michel aus Lönneberga» von
Astrid Lindgren. Dort lädt Michel mit Hilfe des Knechts
Alfred die Armen aus dem Armenhaus auf den Katthult-Hof
ein, nachdem er erfahren hat, dass die böse Vorsteherin alle
Würste, die Michels Mutter den Armen zu Weihnachten
geschickt hatte, selbst verspeist hat. Es wird ein grandioses
Weihnachtsfest!
Meine beiden Kinder haben den Film aber nicht so gerne
geschaut. Warum? Weil die Armen ungepflegt aussehen
und nicht schön essen. Ein unwichtiges Detail? Ich glaube
eher, ein Zeichen dafür, dass da ganz unterschiedliche Leben
zusammenkommen. Wie begegnet man sich da?

Von: Katharina Metzger

22. Mai

Die kanaanäische Frau fiel vor Jesus nieder und sprach:
Herr, hilf mir! Aber er antwortete und sprach: Es ist
nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und
werfe es vor die Hunde. Sie sprach: Ja, Herr; aber doch
essen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer
Herren fallen. Da antwortete Jesus und sprach zu ihr:
Frau, dein Glaube ist gross. Dir geschehe, wie du willst!
Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.

Matthäus 15,25–28

Hoppla! Das ist eine Geschichte, die gleich mehrere Fragen
aufwirft und Empörung in mir weckt. Ich möchte mich gerne
neben diese Frau stellen, die Arme in die Seiten stützen und
diesem Jesus zurufen: «Was soll denn das? Du willst also ein
Spezialbrot für ein paar Auserwählte sein? Und du bezeichnest
diese Frau und ihr Volk als Hunde? Du verweigerst ihr
deine Hilfe? Auf dieses Brötchen kann ich getrost verzichten!»
Nicht so die Frau: Sie reagiert nicht auf die schroffe Abweisung.
Im Gegenteil: Sie sagt, die Krümel von diesem Brot, die
unvermeidlich vom Tisch fallen, würde sie sowieso essen. Da
geschieht etwas mit Jesus, er anerkennt ihren grossen Glauben
und die Hoffnung, die sie in ihn setzt. Es ist, wie wenn
sich etwas weitet: Das heilsame Brot darf geteilt werden, die
Tochter wird gesund.
Hat die Frau Jesus verändert? Ich nehme jedenfalls dies
mit: Beide, die Frau und Jesus, haben sich bewegt, weg von
starren Positionen, weg vom Stolz. Eine heilsame Bewegung.

Von: Katharina Metzger

23. März

Paulus sagt: Gottes Hilfe habe ich erfahren bis
zum heutigen Tag und stehe nun hier und bin sein Zeuge bei Klein und Gross.
Apostelgeschichte 26,22

Paulus ist in Gefangenschaft und rechtfertigt in einer Rede vor König Agrippa sein Dienen für Jesus Christus. Er beschreibt noch einmal seine Bekehrung, wie er als Verfolger der ersten Christen ein helles Leuchten am Himmel gesehen und die Stimme von Jesus vernommen habe und dadurch förmlich zu Boden geworfen worden sei. Jesus habe ihm dann gesagt: «Aber nun steh auf und stell dich auf deine Füsse!» Danach erwählt Jesus den gewandelten Paulus zu seinem Diener und verspricht ihm Schutz.
Ich bleibe an diesem Satz hängen: «Aber nun steh auf und stell dich auf deine Füsse.» Gerne möchte ich etwas nachspüren, was in diesem Satz für meine Ohren, meine heutigen Ohren, mitschwingt:
Aber nun steh auf und stell dich auf deine Füsse.
Bleib nicht am Boden liegen.
Warte nicht, dass ich dich aufhebe und trage.
Stell dich auf deine Füsse.
Schau um dich.
Schau auf den Weg, der dich hergebracht hat.
Schau auf den Weg, der vor dir liegt, unbekannt.
Schau auf deine Füsse, die hier stehen und dich tragen.
Und trage mich mit dir mit.

Von: Katharina Metzger

22. März

Es kommt die Zeit, da werde ich meinen Geist ausgiessen über alle Menschen. Joel 3,1

Der Prophet Joel schreibt, wie man sich dieses Ausgiessen des Geistes vorzustellen hat: Die Menschen, alte und junge, mächtige und dienende, werden Träume und Visionen haben und weissagen. Dies wird begleitet von Feuer und Rauch und einer sich verfinsternden Sonne. Es ist der Auftakt zum Tag des Herrn, der Gericht halten wird.
Träume und Visionen: welcher Art? Solche, die die Menschen überwältigen, sie klein, gottesfürchtig und demütig machen? Oder Bilder, die sie befreien von allen irdischen Bindungen?
Ein anderes Bild, ein Gegenbild: Eine Bekannte malt jedes Jahr eine Weihnachtskarte mit einer Krippe, sie liegt nun neben mir. Auch auf diesem Bild ist die Lebensrealität eine einstürzende Welt, abstrakte Formen, die an zerstörte Häuser erinnern, rahmen die Szene ein. In der Mitte gehen Josef und Maria, sie trägt das Kind, er trägt ein Schaf und legt den Arm um sie. Sie schauen nicht auf das Kind, sie schauen um sich, als müssten sie sich vor herabstürzenden Brocken in Sicherheit bringen. Aber hinter ihnen ist ein goldenes Licht, man weiss nicht, kommt es von ihnen oder kommt es auf sie herab. Auch auf diesem Bild, das mit «Anno 2024» betitelt ist, sind Katastrophe und Göttlichkeit ganz nahe beieinander. Das Göttliche hält hier kein – nach Joel: reinigendes – Gericht, aber es leuchtet, es ist da.

Von: Katharina Metzger

23. Januar

Meint ihr, dass ihr Gott täuschen werdet,
wie man einen Menschen täuscht?
Hiob 13,9

Einen streitbaren Hiob hören wir da! Er streitet mit seinen Freunden und er will mit Gott streiten. Er will wissen, wieso er so viel erleiden muss: Er hat nacheinander seinen Besitz, seine Kinder und seine Gesundheit verloren. Und er will nicht auf seine Freunde hören, die eine Erklärung dafür zu geben versuchen. Sie sollen nicht anstelle von Gott sprechen, er will diesen Gott selbst hören!
Streitbar – ich bleibe noch ein wenig bei diesem Wort. Ich selbst bin nicht so streitbar. Aber manchmal geht es nicht anders, und das ist auch gut so: Denn wenn mir etwas oder jemand ganz gegen den Strich geht, wenn ich herausgefordert werde, erwacht eine streitlustige Vitalität in mir. Ich muss für mich und für meine Meinung hinstehen, die dadurch auch geschärft wird. Wir alle kennen grosse Beispiele für das Erstreiten neuer Erkenntnisse und Haltungen: dass die Erde sich um die Sonne bewegt oder dass Frauen so wie Männer abstimmen können. Hier haben Menschen an überholten oder schädlichen Ansichten gerüttelt und Neues ermöglicht. – Hiob erfährt in seinem «Rechtsstreit» immerhin, dass Gott ihn nicht durch Leiden erziehen oder bestrafen will. Und er findet Frieden darin, dass er von Gott beachtet wurde.
Die lebenswichtige Kraft der Streitbarkeit – ich sehe Hiob für mich persönlich ab jetzt als den Schutzheiligen dafür!

Von: Katharina Metzger

22. Januar

Paulus schreibt: Ich war früher ein Lästerer und ein Verfolger und ein Frevler; aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren. 1. Timotheus 1,13

Es sind grosse Themen, von denen Paulus schreibt: wie er sich als Sünder erkannt hat, wie er sich von seinem bisherigen Leben abgewendet und in den Dienst von Jesus Christus gestellt hat. Er spricht dabei zwei Dinge an: das Gesetz und die Barmherzigkeit. Das Gesetz sei wichtig für die Gesetzlosen, schreibt er. In seinem eigenen Fall spielt aber die Barmherzigkeit die grössere Rolle. Den Moment, als ihm die Augen geöffnet und ihm seine Sünden bewusst wurden, sieht er als Moment der Barmherzigkeit und des Vertrauens von Jesus Christus in ihn.
Gesetz und Barmherzigkeit – zwischen diesen Polen bewegen wir uns. Zur Barmherzigkeit kommt mir eine Film-
szene aus «Les Choristes» in den Sinn: Der Lehrer und Chorleiter Monsieur Mathieu streicht seinem begabten Schüler Morange nach einem Streich sein Gesangssolo, fordert ihn aber während einer Vorführung dann doch zum Mitsingen auf, eine grosse Geste der Versöhnung. Es scheint, als sei dieses Vertrauen für den Jungen ein Wendepunkt, ein wichtiger Schritt zu einem guten Leben gewesen.
In beiden Geschichten ist es die Barmherzigkeit, die den Betroffenen die Augen über sich selbst geöffnet hat und zum Schlüssel für ein gesetzestreues und gutes Leben geworden ist.

Von: Katharina Metzger