Schlagwort: Barbara und Martin Robra

15. August

Ich will dich loben mein Leben lang und meine Hände in deinem Namen aufheben. Psalm 63,5

Sie warf die Arme vor Freude in die Luft und rief laut: «Ich hab’s geschafft! Ich habe es nicht geglaubt: Ich bin geritten!»
Ein lang gehegter Traum ist für die Zwanzigjährige Wirklichkeit geworden. Ihr Anderssein, körperliche und psychische Beeinträchtigungen, schienen unüberwindbare Hindernisse: Übergewicht, Muskelschwäche, Höhenangst.
Aber sie gab nicht auf. Der Weg war lang und mühsam. Und dann war es endlich so weit: Sie sass auf dem Pferd und konnte eine Runde reiten. Konzentriert und versunken in den Moment gleichermassen genoss sie die wiegende Bewegung auf dem Pferderücken.
Dieser Moment wurde zur wunderbaren, unvergesslichen Ewigkeit. Immer wieder rief sie: «Ich habe es nicht geglaubt!» Sie warf die Arme in die Luft. Dann umarmte sie das Pferd, dann uns alle, die wir dabei waren und geholfen hatten.
Und wir wurden von ihrer unbändigen Freude angesteckt und lobten Gott.

Von: Barbara und Martin Robra

14. August

Der HERR sprach: Ich habe vergeben, wie du es erbeten hast. 4. Mose 14,20

Wunder gibt es immer wieder … und Vergebung ist ein Wunder. Vergebung passiert, wenn sie erbeten wird – bei Gott und unter Menschen. Und wenn nicht sofort, dann vielleicht später – wir dürfen beten und hoffen.
«Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein lässt Gott sich gar nichts nehmen, es muss erbeten sein», dichtete
Paul Gerhardt 1653.
Fast alle Religionen kennen Vergebung als Voraussetzung eines friedlichen, solidarischen Miteinanders in einer Gemeinschaft. Aber Vergebung ist nicht nur ein religiöses, spirituelles Phänomen. Philosophie, Psychologie, Medizin, Soziologie und Politik … wann immer Leben gefährdet, Miteinanderleben verwehrt und keine gemeinsame Zukunft möglich scheint – kann es doch einen Neuanfang geben durch wahrhaftige Vergebung. Die Gruppe der «Elders» mit Nelson Mandela und Desmond Tutu bezeugen das mit ihrem Leben und Handeln: Vergebung ist Voraussetzung für einen Neuanfang, für Menschlichkeit und Freiheit – und deshalb das Ende von Hass und Gewalt.
Vergib uns unsre Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern! Das dürfen wir beten und hoffen.

Von: Barbara und Martin Robra

15. Juni

Ein Diener des Herrn soll sich nicht streiten. Er soll
zu allen freundlich sein, ein guter Lehrer, der stets
geduldig bleibt. Diejenigen, die sich widersetzen, soll
er mit Freundlichkeit zurechtweisen. Vielleicht gibt
ihnen Gott die Möglichkeit, ihr Leben zu ändern.

2.Timotheus 2,24–25

Streite dich nicht mit Pferden – du ziehst mit Sicherheit
den Kürzeren. Pferde sind intelligent, stets auf der Hut und
stark. Nichts kannst du vor ihnen verbergen. Sie wittern die
geringste Unstimmigkeit und Gefahr – und stürmen bestenfalls
davon. Oder sie widersetzen sich – und das kann
recht unangenehm werden. Wenn du mit Pferden leben
und arbeiten willst, sollst du dich nicht streiten. Du sollst
zu allen Tieren freundlich sein, ein guter Pferdemensch, der
stets geduldig bleibt.
Vor fast zwanzig Jahren haben wir ein Pferd adoptiert. Die
Besitzer hatten Baron zum Schlachter gebracht, weil sich
kein Mensch dem Tier nähern konnte, ohne Gefahr zu laufen,
getreten oder gebissen zu werden. Viele Narben deuteten
darauf hin, dass er schlechte Erfahrungen gemacht hatte.
Heute ist Baron 35 Jahre alt. Er kommt auf uns zu, wenn wir
ihn rufen, ist dankbar für jedes gute Wort und jede liebevolle
Berührung. In den vergangenen Jahren hat er unzählige Kinder
geduldig auf seinem Rücken getragen. Baron hat gelernt,
wieder Vertrauen zu schöpfen. Gott hat ihm die Möglichkeit
gegeben, sein Leben zu ändern – und so das Leben vieler
anderer Menschen und Tiere.

Von: Barbara und Martin Robra

14. Juni

Die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen
wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und
verlockend, weil er klug machte.
1. Mose 3,6

Die Frau ist klug – schon bevor sie den Apfel gegessen hat.
Sie schaut, sie spürt, sie weiss – auch im Zustand der träumenden
Unschuld. Ihre Augen sind gross und tief. Sie sehen
den Baum, dessen Früchte so verlockend sind und deren
Genuss Lust und Schmerz bringt. Um nichts im Paradies will
die Frau in ihrem unmündigen Zustand bleiben – und sie
weiss, warum und wozu. Sie will die Welt erleben, eigenständig
und mit allen Verpflichtungen und Unannehmlichkeiten,
wirklich und wahrhaftig leben in der weiten Welt, die Gott
geschaffen hat. Die Frau lässt das Patriarchat hinter sich, sie
übernimmt Verantwortung – für sich und für andere, für
ihr Tun und die Zukunft. Die Zukunft liegt in ihrer Hand.
Schmerz, Tränen, Trauer und Tod – nichts bleibt ihr erspart.
Was sie tut und was sie nicht tut – dafür wird sie gerade und
aufrecht stehen vor Gott und der Welt.
«Die andere Eva» lernten wir 1985 bei der gleichnamigen
Ausstellung zum Evangelischen Kirchentag in Düsseldorf
kennen: provokant, lustvoll, leidenschaftlich, schrill, skandalös.
Mit ihr zu arbeiten, war eine Lust (nicht nur) für die
Augen.

Von: Barbara und Martin Robra

15. April

Was können die Weisen Weises lehren,
wenn sie des HERRN Wort verwerfen?
Jeremia 8,9

«Der Tölpelhans» – so heisst ein Märchen des dänischen Dichters Hans Christian Andersen. Es geht um drei Brüder, die eine Prinzessin heiraten möchten. Zwei wissen unglaublich viel, sind dabei aber hochmütig und – tatsächlich – langweilig. Der Tölpelhans jedoch hat das Herz auf dem rechten Fleck, ist lustig und findet für jedes Problem eine Lösung. Das gefällt der Prinzessin, die ihm ihr Herz öffnet.
Wissen allein gibt keine Weisheit. Weisheit blüht auf in liebevollen Beziehungen. Gottes Wort gewinnt seine Schönheit und Kraft in Gottes Liebe. Aus dem Tölpelhans wird ein glücklicher Prinz, weil seine Prinzessin ihn liebt.
Fehlt dieser Kontext der Liebe, nützt alles Wissen nichts. Und dominiert stattdessen die Gier nach Reichtum und Macht, wie Jeremia sie bei seinem Volk diagnostiziert, geht die heilende und Leben schenkende Kraft des Gottesworts verloren. Not und Zerstörung, Misstrauen und Hass greifen um sich.
Doch:
Der Herr nimmt die an, die ihn fürchten, und Weisheit erwirkt seine Liebe. (Sirach 19,18)

Von: Barbara und Martin Robra

14. April

Die Erde ist voll der Güte des HERRN. Psalm 33,5

Güte – dieses Wort faszinierte mich als Kind. Wir sassen um den Esstisch und liessen es uns schmecken: ein einfaches Mahl, aber die ganze grosse Familie wurde satt – häufig auch Freunde, die spontan zum Essen eingeladen wurden. Zum Schluss wurde ein Dankgebet gesprochen: «Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.» (Psalm 118,1) Wenn genügend musikalische Esser bei Tisch waren, wurde dieser Psalm als Kanon gesungen. Begeistert sangen vor allem die Kinder mit. So war die Güte Gottes fest im Alltag unserer Familie verankert.
Die Erde ist voll von Gottes Güte. Wie sollte es auch anders sein? Gott hat die Erde und alles Leben aus lauter Liebe geschaffen. Gott schaute die Schöpfung an – und siehe, sie war sehr gut. Dieses Gutsein dürfen wir bewahren, aus Gottes Güte leben. Und wir wissen, wie alle, die diesen Psalm aus tiefem Herzen beten: Diese Liebe hört niemals auf. Gottes Güte währet ewiglich – heute, morgen, immer.
Das ist es, was mich als Kind begeistert hat. Und was mich durch viele schwierige Situationen getragen hat. In Gottes Liebe wird es gut sein – das ist Güte, wirklich und wahrhaftig. So können wir jeden Tag, bei jeder Mahlzeit sagen: Die Erde ist voll der Güte des Herrn. Danke!

Von: Barbara und Martin Robra

15. Februar

Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest
du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.
Psalm 22,3

«Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!» Am Kreuz betet Jesus den 22. Psalm. Macht er halt nach diesem Ausruf, oder spricht er ihn weiter Vers um Vers? In jedem Fall sind die Passionsgeschichten der Evangelien und dieser Psalm eng miteinander verbunden: «Sie haben meine Hände und Füsse durchgraben. Ich kann alle meine Gebeine zählen; sie aber schauen zu und weiden sich an mir. Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand.»
Jesus am Kreuz ist Gott in seiner Verlassenheit unter den Menschen.
Doch zum Psalm gehören auch Verse wie diese: «Er hat nicht verachtet noch verschmäht das Elend des Armen und sein Antlitz vor ihm nicht verborgen; und da er zu ihm schrie, hörte er’s… Die Elenden sollen essen, dass sie satt werden; und die nach dem HERRN fragen, werden ihn preisen; euer Herz soll ewiglich leben. Es werden gedenken und sich zum HERRN bekehren aller Welt Enden und vor ihm anbeten alle Geschlechter der Völker. Denn des HERRN ist das Reich, und er herrscht unter den Völkern.»
In der dunkelsten Stunde leuchtet trotz allem das Licht der Hoffnung auf Gottes Reich des Friedens und der Gerechtigkeit für alle Welt!

Von: Barbara und Martin Robra

14. Februar

Sehet, welch ein Mensch! Johannes 19,5

Mit Dornenkrone und Purpurgewand, gequält und verspottet von den Soldaten tritt Jesus vor das Volk, das seinen Tod will. Noch liefert ihn Pontius Pilatus nicht aus. Sieht er mehr in diesem Jesus als dessen Ankläger? Ahnt er, dass mit ihm Gott selbst gegenwärtig ist unter den Menschen? «Seht, welch ein Mensch!», ruft er dem Volk zu.
In seinem Leiden nimmt Jesus die Gebrochenheit und Not der Menschen auf. In seinem gemarterten Körper wird das Leiden der Menschheit getragen und angenommen von Gott selbst.
Künstlerinnen und Künstler haben diese Szene über die Jahrhunderte hin immer wieder gestaltet – gerade auch im 20. Jahrhundert, das so tief geprägt ist von Gewalt und Tod im Holocaust, in zwei Weltkriegen … und vielen anderen Konflikten.
«Ecce – Seht» nannte Paul Klee eine Zeichnung aus seinem Todesjahr 1940: das Gesicht eines von Schmerzen gezeichneten Mannes mit einer Dornenkrone. Dessen grosse Augen blicken voraus – auf den kommenden Tod und vielleicht darüber hinaus auf Auferstehung und ewiges Leben. Klee selbst ist schwer krank und weiss, dass er bald sterben wird. Erkennt er sich wieder im leidenden Gottessohn? Geht auch sein Blick über den Tod hinaus?

Von: Barbara und Martin Robra

13. November

Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und
die Schwachen sind umgürtet mit Stärke.
1. Samuel 2,4

Wer gewalttätig den Bogen überspannt, wird ihn früher oder
später zerbrechen. Das gilt im Kampf, im Sport und in der
Religion. So ist der zerbrochene Bogen ein Bild für den Zorn
Gottes über die Macht der Gewalttätigen. Keine menschliche
Stärke kann sich mit Gott messen. Anmassung wird
zerstört.
Stärke schenkt Gott den Schwachen, die Schutz und Hilfe
brauchen.
Das weiss Hanna, die ihren Sohn Samuel, den Nachfolger des
Priesters Eli, in ihren Armen hält. In ihrer Schwangerschaft
umgürtete Gott sie mit seiner Stärke und hielt sie schützend
umfangen. Hanna blickt zuversichtlich in die Zukunft. Sie
hat es erfahren: Sie und ihr Sohn sind aufgehoben in Gottes
liebevoller Umarmung.
Gott, schenke uns das Gottvertrauen und die Hoffnung
Hannas. Schütze das bedrohte Leben und umgürte es mit
deiner Stärke. Lass deinen Willen geschehen wie im Himmel
so auf Erden. So beginnt dein Reich mitten unter uns – dein
Reich des Friedens und der Gerechtigkeit.
Amen

Von: Barbara und Martin Robra

12. November

Durch Stillesein und Vertrauen
würdet ihr stark sein.
Jesaja 30,15

«Ich bin stark!», sagt das Kind. «Ja, das bist du. Du hast
keine Angst. Du hast Vertrauen in die Welt und in dich. Das
ist gut so!»

Wir haben zu Hause einen grossen Gong. Er leuchtet wie die
Sonne am Himmel. Meist schwebt er beinahe bewegungslos
an einer Halterung vor der Wand. Doch hin und wieder gibt
es bei uns ein Gong-Gewitter. Bei sehr sanften Schlägen des
weichen Schlägels in einem bestimmten Rhythmus erschallt
zunächst ein sanfter, leiser Klang – wie ein Windhauch. Mit
weiteren Schlägen schwillt der Ton an, wird lauter und voller.
Dann plötzlich, wie eine Welle am Strand, überschlägt sich
der Klang des Gongs. Er tobt wie ein Wasserfall. Weiter gibt
der Schlägel den Rhythmus vor. Der Gong vibriert und zittert
vor Spannung und Energie … Lauter und immer lauter, kaum
auszuhalten wird das Gong-Gewitter – bis der Schlägel zur
Ruhe kommt.
Der ganze Raum, mein Ohr, mein ganzer Körper bebt. Die
Lautstärke schwillt langsam ab. Leiser und immer leiser wird
es im Raum, in mir. Ich höre auf den letzten leisesten Klang –
bis auch dieser vergeht.
Ich höre die Stille. In mir. In der Stille ist Gott. Das ist gut so!

Von: Barbara und Martin Robra