Fürchte dich nicht und verzage nicht! Josua 8,1
Die Formel «fürchte dich nicht» findet man oft in der Bibel.
Sie geht an Einzelne, die eine göttliche Ermutigung brauchen
– in der heutigen Losung ist es Josua, der ermuntert
wird. In der Regel finde ich das erbaulich. Die Geschichte,
die in Josua 8 erzählt wird, ist aber eher verstörend. Es geht
um eine Schlacht, in deren Verlauf die Stadt Ai vernichtet
wird. Josua vollstreckt an den Bewohnern den Bann. Alle
werden getötet, hingeschlachtet im Namen des Herrn. Ehrlich
gestanden: Solche Geschichten machen mir Angst! Ich
denke an fanatische Siedler im Westjordanland, an das Massaker
der Hamas, an Rache und Vergeltung, an die endlose
Spirale der Gewalt …
«Fürchte dich nicht und verzage nicht!», heisst es. Und ich
denke: Es gibt sogenannte Führer, die sich zu wenig fürchten.
Die Welt wäre besser dran, wenn sie Schiss hätten. Weil sie
verantwortungslos und respektlos handeln – ohne Weitsicht,
nur auf den eigenen Vorteil bedacht, einer Ideologie
verpflichtet, von Rache und Vergeltung getrieben … Und
dann gibt es andere, die Ermutigung brauchen. Weil sie die
Verantwortung spüren und um die Schuld wissen, die sie
auf sich laden, wenn sie ihre Interessen und die ihres Volkes
rücksichtslos durchsetzen würden. Es gibt eine heilige
Furcht und es gibt einen heiligen Mut – und die Hoffnung,
dass die Gerechten nicht verzagen und der Bann der Gewalt
gebrochen wird.
Von: Ralph Kunz