Autor: Heidi Berner

Mittelteil November / Dezember

Die Stiftung Boldern unter neuer Führung

Seit Ende April 2024 führen Bernhard Egg und Urs Häfliger
die Stiftung als Nachfolger von Madeleine Strub-Jaccoud im
Co-Präsidium. Im Folgenden berichten sie über ihre Erfahrungen
im Amt.

Schriftlich geführtes Interview mit Heidi Berner (HB):
HB: Seit anderthalb Jahren führt ihr beide die Stiftung Boldern
im Co-Präsidium. Hat sich diese Organisationsform
bewährt?

BE: Meines Erachtens verläuft die Zusammenarbeit prima.
Wir ergänzen uns sehr gut. Jeder bringt seinen Erfahrungshintergrund
und sein Beziehungsnetz ein.
UH: Wir beide bringen viel Lebens- und Führungserfahrung
mit, und unsere verschiedenen Kernkompetenzen dienen
der Stiftung. Das Co-Präsidium hat sich meines Erachtens
sehr bewährt.


HB: Boldern hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Seit
wann seid ihr dabei?

UH: Beruflich und gesellschaftlich bin ich seit zwanzig Jahren
in Männedorf aktiv. Dabei hatte ich immer wieder von
Boldern gehört. Vor bald neun Jahren wurde ich in den Vorstand
des Trägervereins Boldern gewählt (als Quästor), später
als Geschäftsleiter ad interim für drei Jahre und danach
als Vizepräsident des Trägervereins. In dieser Zeit gründeten
wir die Stiftung und erhielten die Steuerbefreiung für die
Stiftung und den Förderverein.
BE: Meine ersten Besuche auf Boldern fanden statt, als ich
noch ein junger Kirchenpfleger war. Danach hatte ich keine
enge Verbindung. Die nächsten Berührungspunkte ergaben
sich mit der Wahl in den Kirchenrat der Reformierten Landeskirche.
In dieser Funktion begleitete ich die Gründung
der Stiftung Boldern und wurde nach dem Rücktritt aus dem
Kirchenrat in den Stiftungsrat gewählt.

HB: Aus einem Leuchtturm der Erwachsenenbildung und der
Spiritualität sind ein Tagungsort, ein Hotel und ein Wohnquartier
samt Spielplatz und Weiher entstanden. Wo finden
wir den Spirit von Boldern heute?

UH: Der Leuchtturm Boldern ist weiterhin gut und wunderschön
sichtbar ob Männedorf. Heute ist aus dem «Boldern
von einst» ein «Boldern für alle» geworden – so fand
die 1.-August-Feier 2025 der Gemeinde Männedorf auf Boldern
statt. Das wunderbar gewachsene Fundament von über
siebzig Jahren Boldern ist unser Fundament für eine erfolgreiche
Zukunft im Sinn von Boldern.
BE: Wir müssen offen und ehrlich festhalten: Das «alte»
Boldern ist Geschichte. Aber zum Glück und dank sehr viel
Engagement der Gründungsmitglieder konnte das Areal in
eine Stiftung überführt werden. Und Boldern ist und bleibt
ein Kraftort. Ein Ausdruck davon ist neben den erwähnten
gestalterischen Massnahmen – Weiher und Spielplatz – die
Veranstaltungsreihe «Boldern inspiriert».


HB: Welchen Stellenwert haben die Bolderntexte für euch
beide?

BE: Ich bin seit gut einem Jahr Mitautor, und das macht mir
viel Freude. Ich lese die Texte nicht konsequent jeden Tag,
aber ich lese sie, und sie sprechen mir oft aus dem Herzen.
Einzelne berühren mich naturgemäss weniger.
UH: Die Bolderntexte sind ein interessantes Standbein von
Boldern – insbesondere in der Kommunikation, der Beziehungspflege
und der Gesellschaft. Ich würde mir wünschen,
dass noch vermehrt weitere Zielgruppen für die Bolderntexte
gewonnen werden könnten – zum Beispiel Jugendliche
und Familien. Ich selbst lese von Zeit zu Zeit belebende Texte
darin und danke allen Autorinnen und Autoren für ihr tolles
Engagement.


Von: Heidi Berner

27. November

Als Petrus den starken Wind sah, erschrak er
und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich!
Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und
ergriff ihn. Matthäus 14,30–31

Als ich vor einigen Jahren
vor der Entscheidung stand,
ein schwieriges Amt zu übernehmen,
versagten meine Beine ab und zu.
Ich knickte ein, sackte ab.
Das irritierte und ängstigte mich sehr.
Ich beriet mich mit vertrauten Menschen.
Sie ermutigten mich, es zu wagen.
Zudem entdeckte ich in der Wühlkiste
unserer Buchhandlung ein Bändchen
mit Segensworten und Psalmen.
Dort war ein Satz in einem Text
mit dem Titel «Gefährtenschaft» –
wie für mich formuliert:
«Er segne eure Aufbrüche, euern Mut,
eure Bereitschaft zum Risiko.»
Schliesslich traute ich mir die Aufgabe zu.
Und plötzlich konnte ich wieder
mit sicherem Schritt auftreten.
Dank der Unterstützung meiner Gefährten,
die mich weiterhin begleiteten.
Und dank der Wühlkiste …

Von: Heidi Berner

26. November

HERR, deine Ratschlüsse von alters her sind treu
und wahrhaftig. Jesaja 25,1

Es ist wertvoll und lobenswert,
Altes in Ehren zu halten.
Doch gelegentlich ist es
etwas aus der Zeit gefallen,
hat Staub angesetzt oder
ist spröd und brüchig geworden.
So tun wir gut daran,
unvoreingenommen zu prüfen,
ob das Alte noch etwas taugt
oder ob wir es besser entsorgen.
Zu allen Zeiten haben Menschen
erfahren, was hilft in Angst und Not,
sie haben gehofft, gebangt und
gedankt – in Glück und Freude.
Alle diese Erfahrungen haben sie
überliefert – von Mund zu Mund
oder in heiligen Schriften formuliert.
Es ist wertvoll, diese Vorräte
an Lebenserfahrungen in Ehren zu halten.
Einiges ist brüchig, taugt nicht mehr.
Bei anderem reicht es, den Staub,
der sich darauf angesammelt hat,
wegzupusten – damit die Wahrheit
wieder zum Vorschein kommt.

Von: Heidi Berner

27. September

Jesus spricht: In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Johannes 16,33

Die Welt ist zum Fürchten.
Seit jeher, nicht erst seit wir
alle fürchterlichen Ereignisse
auf unseren Bildschirmen
mitverfolgen können.
Jesus hat gut reden:
Er hat sie überwunden, die Welt.
Und wir? Wir müssen leben damit,
dass so viel Schlimmes geschieht,
auch durch uns selbst verursacht.
Worin also liegt der Trost?
Vielleicht darin, dass uns
die Angst nicht überwältigt.
Dass wir in Beziehung bleiben
zu dem, was das Leben
gut macht und schön.
Ein Bild lässt mich nicht los:
Eine Frau liegt am Boden,
der schlafenden Tochter zugewandt,
die – in gleicher Haltung –
eine Puppe vor sich hat.
Ein Bild der Geborgenheit!
Aus einer U-Bahn-Station.

Von: Heidi Berner

26. September

Viele sagen von mir: Er hat keine Hilfe bei Gott. Aber du, HERR, bist der Schild für mich, du bist meine Ehre und hebst mein Haupt empor. Psalm 3,3–4

Manchmal brauchen wir Hilfe,
wenn es uns schlecht geht,
wenn wir nicht weiterwissen,
wenn wir den Kopf hängen lassen.
Dann ist es gut, wenn uns
jemand wieder aufrichtet,
uns den Rücken stärkt.
Psalmen sind voller Bilder,
die davon erzählen.
Wenn wir einander aufrecht
gegenüberstehen können,
sehen wir uns in die Augen.

Wenn wir uns beugen,
oder sogar verbiegen,
verpassen wir die Begegnung.
Aufrecht stehen und gehen ermöglicht
den Blick nach vorne, ins Weite.
Auch weg von uns, hin zu anderen,
in denen du, Gott, uns begegnest.
Hin zu anderen, die uns stärken
oder bei denen wir erkennen,
dass sie unsere Hilfe brauchen.

Von: Heidi Berner

27. Juli

Der HERR wird seinem Volk Kraft geben. Psalm 29,11

Eine Übertragung des Psalms in mein Weltbild:
Die Götter des Zeitgeists sind Geld und Erfolg,
doch wer ist der Gott, an den wir glauben?
Ist er einer, der unantastbar, unnahbar
im Himmel thront, in heiliger Pracht?
Hat er die Welt erschaffen mit seinem Wort?
Ist er im Donner und in den Naturkatastrophen,
die über uns hereinbrechen mit gewaltiger Wucht?
Ist er mächtig allein mit seiner Stimme?
Ist seine Stimme so stark, dass sie alles bewirkt?
Dass sie Bäume knickt wie ein Wirbelsturm,
Wälder zerschmettert wie ein Orkan?
Dann würde kein Leben entstehen, gedeihen
und wieder vergehen ohne sein Wollen.
Seine Stimme wäre wie ein versengendes Feuer.
Sie würde die Erde beben lassen
oder alles vernichten nach seiner Lust.
Sie wäre es, die Geburten einleitet
und Lebensräume zerstört.
Eine Allmacht, gefürchtet und respektiert.
Dieser Gott würde über allem Seienden thronen
als oberster Herrscher in Ewigkeit.
An diesem Machtgott will ich mich nicht orientieren,
aber an dem, der uns segnet mit Frieden (Vers 11).

Von: Heidi Berner

26. Juli

Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du guter und
treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen,
ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines
Herrn Freude!
Matthäus 25,21

Heute, wo ich dies schreibe, ist der Tag der Arbeit.
Wohl uns, wenn uns unsere Arbeit erfüllt
oder wenn wir im «Ruhestand»
etwas Sinnvolles tun können.
Leider ist es nicht allen vergönnt,
ihren Fähigkeiten entsprechend zu arbeiten
oder sich zu engagieren, zu malen, zu singen,
ihre Gedanken niederzuschreiben,
weil ihre Lebensumstände es nicht erlauben.
Andere aber lassen die Talente verkümmern,
vergraben sie wie der schlechte Knecht.
Unsere Talente sind höchstpersönlich,
nicht übertragbar, einmalig,
wenn wir nichts aus ihnen machen, verfallen sie.
Wenn wir sie aber einsetzen können,
sodass sie sich auszahlen,
für uns und vielleicht auch für andere,
wird unsere Welt ein wenig freundlicher,
heller, glücklicher, freudiger.
Sogar in unseren verrückten Zeiten.

Von: Heidi Berner

27. Mai

Wo ist ein Fels ausser unserm Gott? Psalm 18,32

Psalm 18 ist lang und strotzt vor Metaphern aus Kampf und
grossen Gefahren. Einige Elemente daraus, in unsere heutige
Welt übertragen:


Du bist mein Stützpunkt, meine Basis,
mein Kraftort, wo ich auftanken kann.
Unsere Welt gerät ins Wanken,
kein Stein bleibt auf dem anderen,
alles dreht sich im Kreis.
Mit dir überwinden wir Hindernisse,
mit dir überspringen wir Mauern.
Du gibst uns Kraft
und machst unseren Weg gut.
Du schaffst uns weiten Raum,
in dem wir zuversichtlich gehen können.
Du rettest uns vor allem Lebensfeindlichen,
es hat keine Macht über uns,
du befreist uns von aller Gewalt.
Darum sind wir dir dankbar
und sagen es allen weiter,
dass du uns hilfst – seit Urzeiten schon –
und uns auch in Zukunft helfen wirst,
mir und allen, die dir, der Liebe, vertrauen.

Von: Heidi Berner

26. Mai

Es soll nicht durch Heer oder Kraft,
sondern durch meinen Geist geschehen,
spricht der HERR Zebaoth.
Sacharja 4,6

Wir sind es gewohnt, zu messen,
zu zählen, zu vergleichen.
Zurzeit geht es um Truppenstärken
und um Rüstungsausgaben
zur Verteidigung unserer Freiheit,
unserer Werte, unserer Demokratien.
Was ist dem entgegenzuhalten?
Unsere Neutralität ist schal geworden,
schmeckt mir nicht mehr.
Wie sehr haben die letzten drei Jahre
meine Überzeugungen in Frage gestellt!
Hat Pazifismus trotzdem eine Zukunft?
Ich möchte festhalten an der Utopie,
dass Frieden möglich ist in unserer Welt.
Aber es braucht – leider, leider –
ein gewisses Mass an Heer und Kraft,
um ihn zu sichern.
Und einen Vorschuss an Vertrauen.
Das Vertrauen aber ist ein Wagnis
und ein Kind des Geistes,
lebt aus dem Glauben,
aus der Hoffnung und der Liebe.

Von: Heidi Berner

Mittelteil März / April

Ostertexte, Heidi Berner

Die folgenden Texte sind lauter Versuche zu Ostern für den «Aargauer Kirchenboten» im Jahr 2006. Der letzte Text wurde damals publiziert, zusammen mit dem Bild. Dieser Text entstand aus meinen Erfahrungen als Sozialvorsteherin in unserer Kleinstadt und bezieht sich auf hoffnungslose Sozialfälle, bei denen ich versucht war, sie fallen zu lassen.

Auferstehung
Immer wieder
Aufstand der Liebe
gegen die Herrschaft des Hasses.
Immer wieder
Aufstand der Hoffnung
gegen die Herrschaft der Angst.
Immer wieder
Aufstand des Lebens
gegen die Herrschaft des Todes.

Naturgesetze
Aufhebung der Naturgesetze,
um uns zu überzeugen von der Einzigartigkeit
des Wanderpredigers aus Galiläa –
muss das sein?
Verrückte Steinblöcke,
um uns begreiflich zu machen die Allmacht
des Auferstandenen –
muss das sein?
Menschen in Aufruhr,
hoffend, zweifelnd, ihren Sinnen nicht trauend
ungläubig glaubend –
muss das sein?
Nein,
die Naturgesetze sind nicht aufgehoben,
damals wie heute sterben Menschen
einen qualvollen Tod
durch Natur- und Menschengewalt.
Und dennoch:
Wider alle Vernunft glauben
an die Kraft der Liebe und des Lebens –
das müsste sein.


Frauensache
Damals waren es Frauen,
die es wagten,
nahe zu bleiben,
als es zu Ende ging
mit ihm,
auf den sie gehofft hatten.
Damals waren es Frauen,
die es wagten,
hinzugehen zum Grab,
um ihn zu salben,
ihn,
dem sie vertraut hatten.
Als er nicht dort war,
verstanden sie bald:
Er ist nicht umzubringen,
der,
an den sie geglaubt hatten.

Zurück ins Leben
Wenn die Welt ins Wanken gerät
und kein Seismograph
die Erschütterung aufzeichnet.
Kein Ausschlag auf der Richterskala
und dennoch –
nichts ist mehr, wie es war.
Eine Erleuchtung, die Klarsicht bringt,
die Botschaft – von Engeln verkündet –
offensichtlich, für jene,
die genau hinschauen:
Wendet euch um –
zurück ins Leben!

Ostern
Sooft wir andere
endgültig fallen lassen,
tragen wir bei zu Tod und Kreuz.
Und wir selber
fallen mit.
Gott sei Dank
für die trotzige Kraft
in allem Lebendigen:
Durch Asphalt und Mauerritzen
keimt sie und spriesst sie,
verrückt Steine und Felsbrocken,
verwandelt tote Materie
in leuchtende Blüten.
Sooft wir an das Wunder
zu glauben wagen,
dass unser Fallen nie endgültig ist,
keimt neue Hoffnung
für alle.
Und die trotzige Kraft
tief in uns drinnen
verrückt Ängste und Vorurteile,
verwandelt Kreuz und Tod
in blühendes Leben.

Von: Heidi Berner