Autor: Barbara und Martin Robra

13. September

Beweise deine wunderbare Güte, du Heiland derer,
die Zuflucht suchen vor denen, die sich gegen deine rechte Hand erheben.
Psalm 17,7

Einer unserer Söhne wird in diesem Jahr eine junge Frau aus Istanbul heiraten. Darum haben wir die beiden um Anregungen gebeten, wie wir mehr über türkische Kultur und Traditionen lernen können. Sie empfahlen uns eine populäre Fernsehserie. Bis jetzt haben wir uns tatsächlich 154 Episoden angeschaut.
Vor diesem Hintergrund lesen wir die Losung. Offen gesagt klingen die Worte des Psalms 17,7 nicht anders als eine Reihe von Passagen des Skripts dieser Serie oder – andersherum gesehen – finden sich im Skript immer wieder Sätze, die an den Psalmvers erinnern.
Warum auch nicht?
Jüdische, christliche und islamische Gläubige sind alle gleichermassen Kinder Abrahams und schöpfen Wasser aus den gleichen Quellen. Das sollten wir niemals vergessen und deshalb Frieden unter den Kindern Abrahams fördern. Gerade jetzt …

Von: Barbara und Martin Robra

12. September

Helft dem Elenden und Bedürftigen zum Recht. Psalm 82,3

Sie waren es so gewohnt: Im Haus der Diakonie gab es Fahrkarten für den Nahverkehr, beim Pastor dahinter etwas Geld. «Pastor hintenliegend gibt Geld, fromm tun» verkündete ein «Gaunerzinken» am Bahnhof der Stadt. Als einer der Wohnungslosen auf Betteltour uns das erklärte, verstanden wir endlich, warum uns an der Pfarrhaustür immer wieder rührselige Geschichten erzählt wurden.
Das war der Moment, als wir begriffen, dass Mitleid und Barmherzigkeit nicht genug sind, solange sich nichts daran ändert, dass Menschen ihre Rechte auf Wohnung und materielle Hilfe verweigert werden. Helft den Elenden und Bedürftigen, aber helft ihnen zu ihrem Recht. Was das bedeutete und verlangte, lernten wir in den kommenden Jahren durch den Einsatz für eine professionelle Hilfe für Wohnungslose. Es gibt die Wohnungslosenhilfe Witten heute noch, und sie ist immer noch notwendig – leider.
Vor mangelnder Hilfsbereitschaft ist die Indifferenz den Rechten aller Menschen gegenüber, den Menschenrechten also, ein entscheidendes Problem sozialer Ordnung. Diese Rechte verlangen unsere Aufmerksamkeit und unseren Einsatz.

Von: Barbara und Martin Robra

13. Juli

Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.
Offenbarung 1,17

Wir beobachten gerne unsere Pferde und Esel. Da ist Temudschin.
Der dunkle Huzule ist ohne Zweifel der Stärkste in der Herde. Bei
jedem Zeichen einer möglichen Gefahr hebt er den Kopf und nimmt
mit seinen Nüstern die Witterung auf. Er weiss genau, was er will, und
lässt es die anderen wissen. Ovni folgt ihm als Zweiter. Intelligenz und
Respekt sind nicht gerade seine Stärken, er muss sich fügen. Da ist
Mandoline, die Stute. Sie hat Privilegien. Lebhaft und übermütig
demonstriert sie ihre überschäumende Energie, wenn sie unsere drei
Esel vor sich hertreibt und über die Wiese jagt.
Und dann ist da noch Baron, unser Oldie. Er ist der Kleinste und
inzwischen auch der Schwächste, der Letzte in der Reihe. Doch wenn
der Bosssich nicht ganz sicher ist(ja, das kommt vor!), dann geht er
zum Oldie, stupst ihn liebevoll an und holt sich Rat.
Der Erste wird zum Letzten, der Letzte offenbart seine Weisheit,
damit das Leben der Herde gesichert ist, damit keine
Angst und Panik aufkommt. «Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste
und der Letzte und der Lebendige.» Was für ein wunderschönes
Gottesbild! Die gesamte lebendige Schöpfung ist aufgehoben in
Gottes Liebe.

Von: Barbara und Martin Robra

12. Juli

Jesus fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in allen Schriften von ihm gesagt war. Lukas 24,27

Wo anfangen und wo aufhören – mit Engelszungen reden –
Auslegung – komplett – von Anfang bis Ende. Alles, was
über ihn gesagt war, wird in Erinnerung gerufen, genau
beschrieben und erklärt.
Aber das intellektuelle Wissen überwindet allein nicht die
Hilflosigkeit, Angst und Lähmung der zwei Jünger auf dem
Weg nach Emmaus, führt nicht zum existenziellen Erkennen,
bringt den aufgescheuchten Seelen keinen Frieden und
keine Freude.
Sie erkennen den Auferstandenen beim Brechen des Brots.
Erst im gemeinschaftlichen Mahl wachsen Verstehen und
Vertrauen – Vertrauen in den lebendigen Gott, Vertrauen
in andere Menschen, Vertrauen in sich selbst.
Erst wenn wir das Leben teilen, nehmen wir wirklich wahr.
Dann entsteht eine unbändige Freude, die ansteckt, die
anstecken will, die sich ausbreitet, wie von selbst. Diese
Freude kennt keine Furcht.

Von: Barbara und Martin Robra

13. Mai

Jesus spricht: Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich
will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen,
und eure Freude soll niemand von euch nehmen.

Johannes 16,22

Im August ist der Geburtstermin unseres dritten Enkelkindes.
Bis zum Tag der Geburt leben wir in der freudigen
Erwartung, endlich dieses neue Leben, das im Bauch unserer
Tochter heranwächst, zu sehen und zu begrüssen. Zugleich
bleibt immer die Sorge, dass es Mutter und Kind weiter gut
gehen wird und es bei der Geburt nicht zu Komplikationen
kommt.
Auch wenn Väter bei der Geburt dabei sein dürfen, es ist
die Mutter, die durch das Tor unsäglicher Schmerzen geht,
bevor sie im Gefühl tiefsten Glücks ihr Kind in die Arme
schliesst. Nach Johannes vergleicht Jesus seinen Tod und
seine Auferstehung direkt vor dem Lehrtext in Vers 21 mit
der Geburt eines Kindes: Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat
sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie
aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst
um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen
ist.

Mit Tod und Auferstehung Jesu bricht neues Leben mit der
elementaren Schöpferkraft des Heiligen Geistes in diese Welt
ein. Mitten in der Dunkelheit von Schmerz und Traurigkeit
leuchtet die Freude auf über das Kommen Gottes.

Von: Barbara und Martin Robra

12. Mai

Ein drittes Mal fragte Jesus: Simon, Sohn von Johannes,
liebst du mich? Petrus wurde traurig, weil er ihn ein
drittes Mal fragte: Liebst du mich? Er sagte zu ihm:
Herr, du weisst alles, du weisst auch, dass ich dich
liebe! Jesus sagte zu ihm: Sorge für meine Schafe!

Johannes 21,17

Einmal reicht. Zweimal ist einmal zu viel. Aber: Aller guten
Dinge sind drei. Liebst du mich? Traurig, aber wahr: Der
Allwissende fragt einmal, zweimal, dreimal. Muss das sein?
Dann keine Antwort, auch keine Bitte, sondern ein Befehl:
Sorge für meine Schafe!
Ohne Liebe geht das nicht. Ohne wahre, tiefe, innige Liebe
ist das nicht möglich. Denn für Schafe sorgen heisst: ein
Nomadenleben führen; Tag und Nacht, Sommer wie Winter
mit der Herde unterwegs sein; Hitze und Kälte ertragen,
Sonne und Regen; Futter im felsigen Gelände und Wasser
in der Dürre suchen; Schutz vor Gewitter und Schneesturm
herrichten; kranke Tiere pflegen; übermütige Jungtiere
besänftigen; schwachen Muttertieren helfen, Neugeborene
versorgen, wilde Tiere vertreiben … und damit: die Natur, die
Mitwelt, das Leben schützen.
Schafe hüten – wer das tut, vertraut dem Leben und übernimmt
mit Leib und Seele Verantwortung – tagaus, tagein.
Wer das tut, sagt nicht nur einmal, sondern immer wieder:
Ich liebe dich. Wer das tut, liebt wirklich und wahrhaftig.

Von: Barbara und Martin Robra

13. März

Wir wissen aber, dass das Gesetz gut ist, wenn es jemand recht gebraucht.
1. Timotheus 1,8

Mit der Ausbreitung des christlichen Glaubens über die jüdische Gemeinschaft hinaus wurde die Geltung der Tora auch nach dem Kommen Christi lebhaft diskutiert. Blieb sie weiter lebensbewahrendes Gesetz Gottes für sein Volk? War sie auch für Heidenchristen verbindlich? In welcher Beziehung stehen Gesetz und Evangelium, Sünde und Rechtfertigung allein aus Gnade?  

In der Reformation standen diese Fragen wieder auf der Traktandenliste. Luther stellte Gesetz und Evangelium einander gegenüber und betonte die Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnade. Anders Zwingli. Er schrieb: «Das gsatzt ist dem gotshulder ein evangelium.» Damit war er näher an der pragmatischen Sicht des 1. Timotheusbriefs. Geltungsbereich und Praxis waren entscheidend. 

So kann die Diskussion auch heute Orientierung geben. Für Staat und Politik gilt: Wenn Gesetze erlassen werden, um ungerechte Strukturen zu sichern, unterdrücken sie. Wenn sie erlassen werden, um Gerechtigkeit zu schaffen und die Schöpfung zu bewahren, dann fördern sie das Leben. Darauf kommt es heute an.

Von: Barbara und Martin Robra

12. März

Paulus schreibt: So haben wir Herzenslust an euch und sind bereit, euch teilhaben zu lassen nicht allein am Evangelium Gottes, sondern auch an unserm Leben; denn wir haben euch lieb gewonnen. 1. Thessalonicher 2,8

– «Glaubst du an Gott?»
– «Warum fragst du?»
– «Weil nichts dafür spricht.»
– «Es spricht aber auch nichts dagegen.»

– «Liebst du mich?»
– «Ja – weil ich dich lieb gewonnen habe und das Leben mit dir teile!»

So liebt dich Gott!

Von: Barbara und Martin Robra

13. Januar

Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Ach, wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben! Psalm 39,6

Eine Handbreit – das war eines der kleinsten Längenmasse. Flussschiffer und Seeleute wünschen einander noch heute stets eine Handbreit Wasser unter dem Kiel – gerade genug, um nicht auf Grund zu laufen. Sinkt der Pegel darunter, geht nichts mehr.
Deine Kraft und Energie sind am Nullpunkt. Du bist tief gefallen. Wegen einer Depression oder eines Schicksalsschlags bist du wie gefangen in einem schwarzen Loch und kommst aus eigenen Kräften nicht mehr heraus. In solcher Lage wirst du dieses Gebet eines verzweifelten Menschen verstehen: Herr, wessen soll ich mich trösten? (Vers 8a).
Eine Handbreit Hoffnung bleibt, wo Gott die Kraft für eine Antwort gibt, die Gott selbst ist und die sich nur in der Zwiesprache des Gebets erschliesst: Ich hoffe auf dich (Vers 8b).
Gott, wir bitten dich um diese kleine Handbreit Hoffnung, wenn wir selbst und andere in dieser Welt sie am nötigsten brauchen, wenn uns die Kräfte schwinden in Verzweiflung, Angst und Not.

Von: Barbara und Martin Robra

12. Januar

Ich bin ein Gast auf Erden. Psalm 119,19

Warum nur bricht die Losung nach dem halben Vers ab und macht aus dem Semikolon einen Punkt? «Ich bin ein Gast auf Erden; verbirg deine Gebote nicht vor mir», lautet der ganze Vers nach der Lutherbibel. Die Wahl des Lehrtextes (2. Korinther 5,1) und – mehr noch – des beigefügten dritten Textes: «Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh mit mancherlei Beschwerden der ewgen Heimat zu», legen eine Antwort nahe. Die Herausgeber der Losungen dachten bei der Auswahl dieses Begleittextes wohl an eine Trauerfeier … Das aber wird dem Psalm 119 nicht gerecht. Und obwohl das Lied von Georg Thurmair heute oft bei Beerdigungen gesungen wird, schrieb er es 1935, um katholische Jugendliche gegen den Druck der antikirchlichen Nazipropaganda zu stärken.
Psalm 119 ist ein vielgestaltiger Lobpreis der Tora, der Weisungen Gottes als befreiendes und Leben schenkendes Wort. Die Tora führt auf den Weg der Gerechtigkeit. Sie ist Schutz und Schirm auch für die Fremden, für Migrantinnen und Migranten, für Menschen auf der Flucht. So übersetzt die Zürcher Bibel näher am hebräischen Text: «Ein Fremder bin ich auf Erden, verbirg deine Gebote nicht vor mir.»
Weil der Psalm so viel über Gottes Weisungen und Gebote zu sagen hat, ist er der längste der Psalmen – doch es lohnt sich, sich die Zeit zu nehmen, um ihn ganz zu lesen.

Von: Barbara und Martin Robra