Autor: Sigrun Welke-Holtmann

27. April

Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott.
2. Korinther 3,5

Er war’s! Nein, er war’s! Die Vase liegt in tausend kleinen Stücken über den Fussboden verteilt, als die Mutter den Raum betritt. Ihr Blick wandert abwechselnd zwischen den beiden Brüdern und dem zerbrochenen Erbstück hin und her. Ein Finger zeigt auf den anderen, drei weisen zurück. Wer es wirklich war, das wird sie nie herausbekommen, das weiss sie. Und so beginnt sie die Scherben aufzukehren. Ein «er» war es halt.

Verantwortung abschieben, wenn es brenzlig wird, das ist ein probates Mittel. Seit Adam und Eva, beliebt schon bei Kindern. Aber auch Erwachsene geben die Verantwortung für Verlust und Versagen gerne ab. Dann war es das System oder der Markt oder beides.

Erfolge rechnet man sich da schon eher zu: «Das war ich, ich ganz alleine! Aber ich habe auch hart dafür gearbeitet, hab alles hintangestellt, sogar mich selbst.»

Er war’s! Sagen auch Paulus und Timotheus und versuchen damit die Verantwortung für ihr tüchtiges Handeln auf Gott abzuwälzen. Aber nicht um fein raus zu sein oder nicht belangt zu werden, sondern um überhaupt erst wieder Gehör zu finden. Um Vertrauen wieder herzustellen und eine Beziehung, die ziemlich angespannt war, wieder zu entspannen. Er war’s durch uns und deshalb dürft ihr uns vertrauen. Gott steht hinter uns und auch hinter euch.

Von Sigrun Welke-Holtmann

28. März

Vor dem HERRN her kam ein grosser und gewaltiger Sturmwind, der Berge zerriss und Felsen zerbrach, in dem Sturmwind aber war der HERR nicht. Und nach dem Sturmwind kam ein Erdbeben, in dem Erdbeben aber war der HERR nicht. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer, in dem Feuer aber war der HERR nicht. Nach dem Feuer aber kam das Flüstern eines sanften Windhauchs.
1. Könige 19,11–12

sanfter Windhauch (Zürcher Bibel)

sanftes Sausen (Luther 2017)leises Wehen (Bibel in gerechter Sprache)

sanftes, feines Flüstern (Basis Bibel)

leiser Hauch (Gute Nachricht)

leises Säuseln (Hoffnung für alle)

Hättest du Gott so erkannt?

27. März

Jesus spricht: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.
Matthäus 25,40

Welchen Massstab lege ich an? Wenn ich richte über den Anderen, die Andere, wenn ich mir ein Urteil bilde über mein Gegenüber. Natürlich nicht leichtfertig und weit weg von einem simplen Vorurteil, sondern aufgrund einer genauen Analyse der Situation, des Kontextes und unter Berücksichtigung von objektiven Kriterien und zur Verfügung stehenden Fakten.  Wenn ich sage: Du bist schuld an der Situation, dass alles so aus dem Ruder gelaufen ist! Dass die Beziehung nicht mehr so toll ist wie früher! Dass der Job mir keinen Spass mehr macht! Immer machst du alles falsch! Was empfinde ich eigentlich als gerecht und was als ungerecht und woran mache ich das fest? Und vielleicht noch dringender die Frage: Nach welchem Massstab möchte ich gerichtet werden?
Na ja, eigentlich gar nicht!, fährt es mir durch den Kopf. Warum sollte ich denn gerichtet werden? Und wer sollte dies machen? Wer kennt mich denn so gut, dass er oder sie sich ein Urteil erlauben könnte? Ich kenne mich manchmal ja selbst nicht.

Vom Weltgericht schreibt Matthäus und versucht, Gottes Massstab in Worte zu fassen. Und dieser Massstab verstört, irritiert diejenigen, die drüberspringen, genauso wie die, die darunter durchfallen. Denn Gottes Massstab ist anders.
Und das ist meine Hoffnung.

Von Sigrun Welke-Holtmann

28. Februar

HERR, wer ist dir gleich unter den Göttern? Wer ist dir gleich,
der so herrlich und heilig ist, schrecklich, löblich und wundertätig?

2. Mose 15,11

Stellen Sie sich vor, Sie bekämen den Auftrag, ein Lied zu schreiben! Ein Lied darüber, wie Gott in Ihrem Leben wirkt. Was wäre das wohl für ein Lied? Für welche Strophen würden Sie sich entscheiden und wie würde der Refrain lauten? Wäre es ein Loblied? Ein Lied, das all das besingt, was in Ihrem Leben schön und wunderbar geschaffen ist?
Oder ein Danklied? Ein Lied, das all das besingt, was in Ihrem Leben gut gelaufen ist?
Oder wäre es ein Klagelied? Weil Ihnen Gott im Moment eher fern erscheint?
Vielleicht wäre es auch ein Liebeslied. Ein Lied über die Liebe in ihrem Leben. Wäre es in Dur oder in Moll?
Vielleicht sagen Sie jetzt aber auch: «Ich bin kein*e Liedermacher*in, ich kann das nicht!»

Das hätte Mose damals sicherlich auch gesagt: «Ich habe doch eine schwere Zunge und bin von jeher nicht beredt!» Und doch wird ihm dieses Lied nach dem Durchzug durchs Schilfmeer zugeschrieben. Ein Lied, das die Ereignisse in Worte und Melodie fasst. In all ihrer Schönheit und auch in ihrer Schrecklichkeit. Gottes furchtbares und  wunderwirkendes Tun im Leben von Menschen.
Vielleicht versuchen auch Sie es einmal. Ich wäre gespannt, welches Lied Sie singen.

Von Sigrun Welke-Holtmann

27. Februar

Paulus schreibt: Unsere Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen:
Wie ihr an den Leiden teilhabt, so habt ihr auch am Trost teil.

2. Korinther 1,7

«Unsere Hoffnung steht fest für euch – weil wir wissen!» Gewagt und fast schon etwas übergriffig kommt Paulus mir heute entgegen. Kann man Hoffnung und Wissen für jemand anderes haben? Kann mir die Hoffnung eines Anderen, die feste, zum Trost werden? Steckt solche Hoffnung mich an? Entflammt solche Rede meine Hoffnung auch und gerade in Zeiten des Leidens?So perfekter Glaube, so starke Hoffnung für andere, so gutes Wissen erweckt in mir zuerst eher Widerwillen. Und doch muss ich festhalten, dass Paulus von seiner eigenen und der Hoffnung des Timotheus (Vers 1,1) spricht, (vgl. auch Verse 8–11). Paulus und sein Begleiter haben selbst Bedrängnisse am eigenen Leib erfahren, fühlten sich vom Tod bedroht und deuten ihre Rettung als Rettungstat Gottes. Sein «Wissen» ist also erfahrungsgetränkt – sein eigenes Vertrauen hat sich für ihn bewahrheitet und nun bietet er seine Deutung auch den Korinthern für ihr Leben an. Oder mutet es ihnen zu. Oder stülpt es ihnen über. Das mag übergriffig erscheinen, stiftet aber zugleich Beziehung: zwischen sich und Christus und den Korinthern und Christus und sich. Lebendige Glaubensbeziehung. Gewagt, aber vielleicht doch seelsorgerlich und tröstend.Und ich frage mich trotz allen Widerwillens, ob das nicht auch was für mich wäre.

Von Sigrun Welke-Holtmann

28. Januar

Sei nur stille zu Gott, meine Seele;
denn er ist meine Hoffnung.           Psalm 62,6

Warten, einfach nur warten. Ganz still, ohne jeden Aktivismus – können Sie das eigentlich noch? Mir fällt es zunehmend schwer. Einfach auf eine Sache konzentriert sein, darauf warten und nicht alles andere noch in der Zwischenzeit bearbeiten. Schnell noch ein paar Mails beantworten in der Zwischenzeit, weil ich ja so wichtig bin. Schnell noch eine Neuigkeit im Internet lesen in der Zwischenzeit, damit ich informiert bin und meine Meinung zu allem äussern kann. Schnell noch in Kontakt treten, um die Zwischenzeit auch richtig zu nutzen, nicht einfach so verstreichen zu lassen. Und manchmal vergesse ich über dem ganzen Aktionismus, worauf ich eigentlich gewartet habe. Na ja, dann kann es auch nicht so wichtig gewesen sein.

«Sei nur stille zu Gott, meine Seele, denn er ist meine Hoffnung.» Es ist eine Grundsatzerklärung, die der/die Beter*in des Psalms hier formuliert. Hilfe kommt allein von Gott. Da ist nichts dran zu rütteln und auch nichts zu beschleunigen. Das kann man auch nicht herbeireden oder online bestellen. Stille Zuwendung und geduldiges Warten – Harren – ist angesagt, aber ohne Worte. Und das ist kein Vorwand zur Selbstoptimierung durch Achtsamkeit und Meditation – Schweigen, um danach besser reden zu können, sondern es ist eine Lebenseinstellung:

Es ist ein Warten auf Gott. Advent Ende Januar. Ich könnte es mal versuchen.

Von Sigrun Welke-Holtmann

27. Januar

Jesus Christus gestern und heute
und derselbe auch in Ewigkeit.       

Hebräer 13,8

Ewigkeit – was ist heute denn noch auf Ewigkeit hin angelegt? Nichts! Denn alles, was heute ist, ist morgen schon wieder überholt, also von gestern. Morgen gibt es Neues, Besseres, Schnelleres und Grösseres.
Wir sind auf Wachstum angelegt und in Wachstum steckt Veränderung.
Nichts bleibt, wie es war!
Und eigentlich wird alles schneller. Das Wachstum und die Veränderung. Sie reissen mit, ob man will oder nicht. Gestern und Morgen haben manchmal schon keine Verbindung mehr. Das Morgen hat das Gestern längst abgehängt.
Wie eine Bremse kommen da die abschliessenden Mahnungen des Hebräerbriefes daher. «Bleibt fest in der brüderlichen Liebe.» (13,1) Vergesst nicht, gastfrei, züchtig und freigiebig zu sein!
Es gibt einen roten Faden, eine Verbindung unter euch und zwischen euch und Gott. Eine Verbindung auch durch die Zeit hindurch!
Ein Rufen gegen den Wind der Veränderung?
Ein Anschreiben gegen das Abhängen?
Vielleicht.
Vielleicht aber auch die einzige Möglichkeit, zu bleiben – in Zeit und Ewigkeit,
in Verbindung mit Gott und mit sich selbst.

Von Sigrun Welke-Holtmann