Aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.
Psalm 98,3

Nicht nur aufbewahrt und überliefert hat das Gottesvolk
den geistgewirkten Widerspruch gegen den Augenschein,
sondern gefeiert und gesungen. Später wird der unbekannte
Verfasser des Hebräerbriefs definieren, glauben heisse festhalten,
sich einlassen auf das, was wir eben nicht sehen.
Die unmittelbare Reaktion, wenn wir das heutige Losungswort
lesen, mag Unglaube sein, verärgerte Verwunderung:
Nein! Wir sehen nicht das Heil unseres Gottes! Wir
müssen uns im Gegenteil an allen Ecken und Enden das
Unheil anschauen, das Menschen über Menschen bringen,
das Elend, das als böser Zufall über Menschen kommt, das
Unglück, das sie als finsterer Schicksalsschlag trifft!
Dem Augenschein widersprechen und damit der Verzweiflung
widerstehen kann indessen die von Gottes Geist eröffnete
Sicht auf die tiefere Wirklichkeit, von der die Psalmen
singen. Ihre therapeutische Wirkung entfalten sie selten
beim ersten Hören oder Singen. Wiederholungen lassen sie
einsinken. Verse, die wir auswendig kennen, «par coeur»,
wie es auf Französisch so wunderbar heisst – sie heilen und
beleben Herz und Seele, Geist und Leib.
Meine Empfehlung an jene, die mit dem heutigen Losungswort
nichts anfangen können, weil es ihnen so realitätsfremd
vorkommt, ist also: Wiederhole das Wort – am besten
singend – so lange, bis du es glaubst. Zu deinem Glück.

Von: Benedict Schubert