Höre mein Gebet, HERR, und vernimm mein Schreien,
schweige nicht zu meinen Tränen.
Psalm 39,13

Die klagende Stimme erlebt Gottes Schweigen als Zumutung.
Sie erinnert mich an eine angolanische Christin, die
damals in den sehr schweren Zeiten des Bürgerkriegs einmal
sagte: «Ich glaube schon, dass Gott hört, aber ich glaube, er
hört nur mit einem Ohr hin.»
Als Seelsorger hörte ich ähnliche Klagen von denen, die mir
gegenübersassen. Auch ich selbst erinnere mich an Zeiten,
in denen ich es herausfordernd fand, dass Gott in so offensichtlich
anderen Rhythmen antwortet und handelt, als ich
es gerne gehabt hätte.
Doch nun stiess ich vor Kurzem auf einen Text, der einlädt,
das Schweigen Gottes viel positiver zu deuten. Von
Daniel Bourguet, einem französischen Pfarrer und Einsiedler,
erschien nun auch auf Deutsch die kleine Schrift «Die Scheu
Gottes». Bourguet erkennt in Gottes Schweigen ein Zeichen
der Liebe, die sich nicht aufdrängt, sondern sich eben scheu,
unaufdringlich zurückhält.
Gott schweigt manchmal zu Tränen, nicht weil sie ihn nicht
berühren. Gott lässt uns zuerst ausweinen. Die Tränen sollen
fliessen. Gott textet uns nicht gleich zu, sondern hält mit uns
den Schmerz aus. Dann wischt Gott die Tränen ab, liebevoll,
zart, tröstend.

Von: Benedict Schubert