Warum gibt Gott dem Leidenden Licht und
Leben denen, die verbittert sind, die sich sehnen
nach dem Tod, doch er kommt nicht?
Hiob 3,20–21

Mit einem Schrei der Verzweiflung solidarisiert sich Hiob
mit allen Verbitterten und mit allen, die am Leben verzweifeln.
Mehr noch, er sieht sich selbst in ihnen. Wie oft ist der
Mensch versucht, in so aussichtslosen Situationen selber den
Lebensfaden durchzuschneiden. Hier aber begegnet uns eine
andere Lösungsmöglichkeit: der Kampf gegen einen Gott,
den man als ungerecht erfährt; ein Nichtloslassen des Dialogs,
ein Nichtaufhören des «Warum-Schreis»!
Diese uns aus der Hiobsgeschichte bekannte Haltung des
Menschen, der davon ausgeht, dass ihm das verlorene Wohlergehen
künftig wieder zusteht, wird in der Erzählung radikal
hinterfragt. Auch Leiden ist Teil des göttlichen Lehrstücks für
uns. Das soll uns nicht begeistern, aber verdeutlicht unsere
Verwundbarkeit in jeder Lebensstufe. Alle haben wohl schon
Menschen kennengelernt, die mit dieser Verwundbarkeit
kreativ umgehen können. Die aus ihrem Glauben heraus
den Dialog mit dem Lebendigen nicht aufgegeben haben,
sondern ihr Leiden als Teil eines Lebensplans verstehen. Bis
zum Ende. «Eli, eli lama asaftani?» (Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich verlassen?), rief Jesus auf Golgatha.
Auch wenn man seinen Geist in die Hände Gottes legt, darf
man verzweifeln. Aber den Dialog sollen wir uns bewahren.
Hierfür wünsche ich uns gemeinsam viel Kraft.

Von: Gert Rüppell