Denkt an den Anfang, an das, was schon immer war:
Ich bin Gott und keiner sonst, ich bin Gott, und
meinesgleichen gibt es nicht. Jesaja 46,9
Ein Anfang, vor dem nichts war, bevor es noch die Zeit überhaupt gab – die scholastische Theologie sprach von der «prima causa», der ersten Ursache, die selbst keine Ursache hat, und sie bezeichnete Gott als diese erste Ursache. Gott ist eine Wirklichkeit ausserhalb der Kausalität, ausserhalb der Zeit. Interessanterweise ergibt sich da eine Brücke zur modernen Wissenschaft: Zeit ist nichts Absolutes; von Zeit zu sprechen ausserhalb des Beginns von Raum und Zeit in einem hypothetischen Urknall, ist sinnlos, und die Quantenphysik ihrerseits hat die universelle Gültigkeit einer strikten Kausalität zumindest ins Wanken gebracht.
Wohlgemerkt: Das ist kein Gottesbeweis. Aber es ist keineswegs unvernünftig, eine Wirklichkeit zu denken, die jenseits unserer Vorstellung von Raum und Zeit ist, jenseits von Kausalitätsketten. Im Gegenteil: Eine auch gegenüber sich selbst kritische Vernunft kennt ihre Grenzen, weiss, dass sie in die menschlichen Erkenntnisbedingungen wie in einen Zirkel eingeschlossen ist. Religiöse Erkenntnis soll keineswegs die Lückenbüsserin für diese Begrenztheit sein, aber sie hält sie im Bewusstsein, und sie kann hilfreiche und weniger hilfreiche Formen annehmen – aber da würde jetzt die Aufgabe der Religionskritik anfangen …
Von: Andreas Marti
