Das Warten der Gerechten wird Freude werden.
Sprüche 10,28

Wer gerecht ist und Gutes tut, dem geht es gut. Dieser
Zusammenhang zwischen Tun und Ergehen wird in den
«weisheitlichen» Schriften des Alten Testaments häufig ausgesprochen.
Nicht nur uns Heutigen erscheint das Prinzip
aber zu vordergründig, zu naiv, von der Erfahrung allzu oft
nicht gedeckt, gar ins Gegenteil verkehrt. Schon biblische
Autoren erheben dagegen Einspruch. In manchen Psalmen
und vor allem im Buch Hiob kommt die Gegenerfahrung
in aller Schärfe zum Zug. Hiob, der Gerechte, hatte ja nun
wahrlich keinen Grund zur Freude, konnte nicht verstehen,
was ihm widerfuhr, und klagte Gott an. Immerhin: Auch
wenn der Schluss des Buchs – die Wiederherstellung des
frommen Dulders – vielleicht nachträglich angefügt wurde,
könnte Hiob doch noch als Beleg für die heutige Losung
herhalten: Nach langem Warten fand er sein Glück wieder.
Nach langem Warten fand er sein Glück wieder. Allerdings
wird die Gegenerfahrung damit auch wieder verharmlost:
Nicht jedes Warten endet in erfahrener Freude.
So bleibt denn, wie so oft, die Hoffnung wider den Anschein,
wider die Erfahrung, wider eine realistische Erwartung, dass
am Ende alles gut sein wird.
Diese Hoffnung mag dem Verstand widersinnig erscheinen,
aber sie befreit aus der Lähmung und macht gutes,
gerechtes Handeln überhaupt erst sinnvoll und möglich.

Von: Andreas Marti