Monat: Dezember 2024

31. Dezember

Dieser ist Gott, unser Gott für immer und ewig.
Er ist’s der uns führet.
Psalm 48,15

Wir stehen an der Schwelle zum neuen Jahr und haben vielleicht
bereits bilanziert, was in den letzten zwölf Monaten in
unserem Leben geschah und was wir daraus für 2025 folgern.
Auch wenn dieser Wechsel heute um Mitternacht nur ein
numerischer ist, so steht er doch für einen Übergang in eine
neue Zeitspanne, für die wir uns wohl alle erhoffen, dass sie
uns nicht weitere Ungewissheiten, Konflikte und Sorgen bringen
wird, sondern etwas mehr Freude, Hoffnung und Frieden.
Dieser Vers aus Psalm 48 macht uns darauf aufmerksam,
dass es beim Jahreswechsel nicht nur um das Hintersichlassen
und Vorausschauen geht, sondern auch um das Bleibende,
Tragende und Wegweisende in einer brüchig und
unsicher gewordenen Welt: um dieses «Immer-und-Ewige»
in unserem Leben. Wir, die wir uns mit den Fragen nach
unserem Glauben beschäftigen, suchen dieses nicht einfach
nur im äusserlich Bestehenden, sondern im unsichtbar
Beständigen, wovon die Gotteserfahrungen in der Bibel zeugen.
Sich von Gott führen zu lassen, bedeutet hier, sich dem
Ungewissen hinzugeben, auf das Kommende zu vertrauen
und an das Gute zu glauben. Mit diesem biblischen «Immerund-
Ewigen» im Rucksack fällt es vielleicht etwas leichter,
im Hier und Jetzt Verantwortung zu übernehmen für sich
selbst und seine Nächsten hin zu einer besseren Welt. Ein
gutes Neues Jahr!

Von: Esther Hürlimann

30. Dezember

Unser HERR ist gross und von grosser Kraft,
und unermesslich ist seine Weisheit.
Psalm 147,5

Ganz hinten im Psalmenbuch tummeln sich ein paar Gebete,
die Sie an Regentagen lesen müssen, wenn Himmel und
Gemüt umwölkt sind. Überschwänglich wird die Grösse
Gottes besungen, und voller Witz ist die Kritik an den Menschen,
die meinen, irgendetwas im Griff zu haben.
Im Allgemeinen bewegt sich die Stimmung in den Psalmen
ja sonst eher Richtung Tiefpunkt, aber gegen Ende wird
gelobt und gelacht, dass sich die Balken biegen.
So preist auch Psalm 147 Gott auf eine Art und Weise, dass
wir uns fragen, woher er diese Worte nimmt. Das Leben
zur Zeit, als viele Psalmen geschrieben wurden, war hart,
ständig bedroht und karg. Die grossartigen Versprechungen
und masslosen Gottesbeschreibungen sind aber weder leere
Worte noch billiger Trost.
In einer Zeit, in der Pflaster aller Art rasch zur Hand sind,
können wir uns schwer vorstellen, welch heilende, ermutigende
und tröstende Kraft der Glaube an einen Gott, der
weiss, was er tut und der die Dinge zum Guten wenden wird,
damals hatte. Wenn die Gemeinschaft laut den Gott pries,
der da ist, zugewandt und gegenwärtig, dann wurde die
Last, die jemand zu tragen hatte, leichter. Diese Eigenschaft
der lobenden Gemeinde trägt die Kirche bis zum heutigen
Tag. Und die alten Worte halten noch. Zum Teil sogar, was
sie versprachen.

Von: Heiner Schubert

29. Dezember

Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter
dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn
hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.
Matthäus 8,20

An Weihnachten finden Maria und Joseph keine Herberge.
Sie haben keine Bleibe auf ihrer Reise. Erst in einem Stall
findet das Paar Zuflucht, wo der Messias zur Welt kommt.
Kurze Zeit später ist die junge Familie auf der Flucht. Mit
Armut und Vertreibung beginnt das Leben Jesu.
Später will sich ein Schriftgelehrter dem Wanderprediger
anschliessen: «Meister, ich will dir folgen, wohin du auch
gehst.» (Matthäus 8,19) Jesus antwortet schroff: Ohne Preisgabe
der Sicherheit sei die Nachfolge nicht zu haben, nicht
einmal die Nacht bringe Ruhe und Schutz.
Keinen Ort zum Schlafen zu haben, nichts, um den Kopf
abzulegen, ist schrecklich: Der Schlaf ist unruhig und voller
Gefahren. Jesus erklärt eine prekäre Existenz zur Bedingung
der Nachfolge, der Hingabe an Gott und die Menschen.
Die Definition der Nachfolge klingt wie das spiegelverkehrte
Echo auf den Losungstext aus dem Alten Testament: «Der
Vogel hat ein Haus gefunden und die Schwalbe ein Nest für
die Jungen – deine Altäre, Herr Zebaoth, mein König und
mein Gott.» (Psalm 84,4) Alle sind in Sicherheit und haben
ein Dach über dem Kopf. Nur der menschgewordene Gott
bleibt ohne Bleibe und der Welt schutzlos ausgeliefert.

Von: Felix Reich

28. Dezember

Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem HERRN,
und der wird ihm vergelten, was er Gutes getan hat.

Sprüche 19,17

Wir sprechen lieber von «Solidarität» und von «Partnerschaft
» als von «Barmherzigkeit». Ich bin den kirchlichen
Werken, die die Solidarität international pflegen, lange
genug verbunden, um das zu verstehen und zu begründen.
Ich übersehe aber auch nicht, dass wir uns damit neue
Fragen eingehandelt haben, zum Beispiel diese: Können wir
uns der Armen noch erbarmen, ohne von ihnen zu fordern,
dass sie – immer nach unseren Vorgaben – Projekte konzipieren,
umsetzen und dann darüber abrechnen?
Unser Losungswort eröffnet eine andere Perspektive. Es
geht von dem aus, was Jesus in seinem Gleichnis vom Weltgericht
ausdrücklich formuliert: Im Armen begegnen wir
Gott selbst. Und daraus zieht die Losung den überraschenden
Schluss: Wenn wir uns der Armen erbarmen, wenn wir
ihnen Zeit schenken oder Geld, ein Hemd oder ein Bett
zum Übernachten, dann tun wir das nicht «à fonds perdu».
Wir werden es nicht einfach weggegeben, losgelassen und
damit aufgegeben haben. Schmerzlichen Verzicht müssen
wir nicht üben.
Denn was wir den Armen gegeben haben, haben wir in
ihnen Gott selbst geliehen. Es ist bei Gott gut aufgehoben;
wir kommen nicht zu kurz. Grosszügig barmherziges Leben
ist in Gott «Leben in Fülle».

Von: Benedict Schubert

27. Dezember

Aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.
Psalm 98,3

Nicht nur aufbewahrt und überliefert hat das Gottesvolk
den geistgewirkten Widerspruch gegen den Augenschein,
sondern gefeiert und gesungen. Später wird der unbekannte
Verfasser des Hebräerbriefs definieren, glauben heisse festhalten,
sich einlassen auf das, was wir eben nicht sehen.
Die unmittelbare Reaktion, wenn wir das heutige Losungswort
lesen, mag Unglaube sein, verärgerte Verwunderung:
Nein! Wir sehen nicht das Heil unseres Gottes! Wir
müssen uns im Gegenteil an allen Ecken und Enden das
Unheil anschauen, das Menschen über Menschen bringen,
das Elend, das als böser Zufall über Menschen kommt, das
Unglück, das sie als finsterer Schicksalsschlag trifft!
Dem Augenschein widersprechen und damit der Verzweiflung
widerstehen kann indessen die von Gottes Geist eröffnete
Sicht auf die tiefere Wirklichkeit, von der die Psalmen
singen. Ihre therapeutische Wirkung entfalten sie selten
beim ersten Hören oder Singen. Wiederholungen lassen sie
einsinken. Verse, die wir auswendig kennen, «par coeur»,
wie es auf Französisch so wunderbar heisst – sie heilen und
beleben Herz und Seele, Geist und Leib.
Meine Empfehlung an jene, die mit dem heutigen Losungswort
nichts anfangen können, weil es ihnen so realitätsfremd
vorkommt, ist also: Wiederhole das Wort – am besten
singend – so lange, bis du es glaubst. Zu deinem Glück.

Von: Benedict Schubert

26. Dezember

Sie sollen erfahren, dass ich, der HERR, ihr Gott,
bei ihnen bin und dass die vom Hause Israel mein Volk
sind, spricht Gott der HERR.
Hesekiel 34,30

«Gott bei und mit uns» – «Immanuel» – kürzer kann man
das Weihnachtsgeschehen kaum fassen: Gott kommt zu uns
als Kind, teilt das Leben der Menschen, begegnet uns überraschend
und unerwartet in den «geringsten Schwestern
und Brüdern» (Matthäus 25,40), gibt Kraft und Hoffnung.
Die Tageslosung heute schenkt uns ein Wort, das Ezechiel,
Priester und Prophet bei den Verschleppten im Exil in
Babylon, am Ende einer langen Gottesrede überliefert. Ein
Wort der Zuwendung und des Trostes in schwerer Zeit, das
neue Hoffnung wachsen lässt: Gott nimmt den schlechten,
unfähigen Hirten des Volkes die Herrschaft aus der Hand.
Gott selbst wird der gute Hirte sein, der das Verlorene sucht,
das Verwundete verbindet, das Schwache stärkt und das
Starke behütet (Vers 16). Gott wird seinem Volk einen neuen
Anfang schenken und eine Zukunft, Gott wird bei und mit
ihm sein, sodass es sagen kann: «Der HERR ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.» (Psalm 23)
Das von Ezechiel überlieferte Hoffnungswort in schwieriger
Zeit strahlt durch die Zeiten: «Gott bei und mit uns» verheisst
Leben und Zukunft auch heute und morgen. «Immanuel!
Sei bei uns, Gott, sei mit uns auf unseren Wegen!»

Von: Annegret Brauch

25. Dezember

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass
wir Gottes Kinder heissen sollen – und wir sind es auch!
1. Johannes 3,1

«Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!» Wie hören
Sie die Weihnachtsbotschaft in diesen Tagen? – Traurig und
mit zweifelndem Herzen? Mit zorniger Beharrlichkeit und
einem Funken Zuversicht? Mit Hoffnungskraft, die sich vom
Augenschein und von der Realität der täglichen Nachrichten
nicht einschüchtern oder entmutigen lässt?
«Gottes Kinder sollen wir heissen – und wir sind es auch!»,
lesen wir im 1. Johannesbrief, und gleichzeitig auch: «Es ist
aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.»
(Vers 2) – Wann, wie, wodurch werden wir sichtbar als Söhne
und Töchter Gottes? Die Antwort bleibt einstweilen Gottes
Zukunft vorbehalten. Ich lese das so: Gottes Zukunft (und
darin die unsere) ist nicht bestimmt durch unsere Vernunft
oder Vorstellungskraft. Gottes Friede ist höher; die Liebe
überwindet die Furcht (vgl. Kapitel 4,16 u. 18). In diesem
Horizont sind Gotteskinder unterwegs.
«Wer den Frieden sucht, wird den andern suchen, wird Zuhören
lernen, wird das Vergeben üben, wird das Verdammen
aufgeben, wird vorgefasste Meinungen zurücklassen, wird das
Wagnis eingehen, wird an die Änderung des Menschen glauben,
wird Hoffnung wecken, wird dem andern entgegengehen, wird
zu seiner eigenen Schuld stehen, wird geduldig dranbleiben,
wird selber vom Frieden Gottes leben.» (Schalom Ben Chorin)

Von: Annegret Brauch

24. Dezember

Die Weisen taten ihre Schätze auf und schenkten dem
Kindlein Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Matthäus 2,11

Die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland ist
wunderbar – und viele Kinder, die in einem Krippenspiel
mitmachen wollen und können, möchten diese schöne Rolle
der Könige, der Weisen einmal spielen. Ihre Geschenke sind
glänzend wie das Gold oder wohlriechend und wertvoll wie
Weihrauch und Myrrhe. Sie drücken aus, dass die Weisen die
Besonderheit dieses kleinen Kindes erkannt haben, obwohl
es in Armut geboren wurde: zwischen Tieren, die es mit
ihrem Atem wärmten, aber ohne Hebamme, ohne Decke,
ohne Wiege, sondern als Wiege die liebenden Arme der
Mutter und eine Krippe mit Stroh.
Welche Geschenke würden wir dem Kind bringen oder
bringen wir ihm jedes Jahr zu Weihnachten? Wir schenken
die Erinnerung an ihn und sein Leben, an seine Heilungen,
an seine Liebe zu allen Menschen, auch und gerade zu den
Elendsten. Wir schenken unseren Dank, unsere Sehnsucht
nach einem geheilten Leben. Niemand drückt diesen Dank
so wunderbar aus wie Paul Gerhard: «Ich steh an deiner
Krippen hier, o Jesu, du mein Leben. Ich komme, bring und
schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein
Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin und lass
dir’s wohl gefallen.» Unsere erwachsenen Kinder, unsere
Enkelkinder und wir mit ihnen singen kein Lied mit der gleichen
Inbrunst wie dieses!

Von: Elisabeth Raiser

23. Dezember

Ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde
ist immer vor mir.
Psalm 51,5

Es gibt Tage, manchmal Wochen in unserem Leben, in denen
wir niedergeschlagen und traurig sind, vielleicht weil wir
eine Tat oder auch nur einen Gedanken bereuen. Dann hat
diese Traurigkeit einen triftigen Grund, und wir brauchen die
Möglichkeit, diese Schuld zu bekennen und, wenn es geht,
sie wiedergutzumachen. Dabei können ein seelsorgerliches
Gespräch und die innige Bitte um die Vergebung durch
Gott helfen, die nötigen Schritte zu tun. In dieser seelischen
Situation hat sich der Schreiber oder die Schreiberin dieses Psalms wohl befunden, viele Verse des Psalms zeugen davon.
Was mich besonders bewegt, ist die tiefe Traurigkeit,
heute würden wir wohl von Depression sprechen, von der
er oder sie spricht. Eine solche Traurigkeit kann uns auch
ohne erkenntlichen Grund heimsuchen; es ist eine dunkle
Aussichtslosigkeit und fühlt sich an wie ein Abgrund, in den
wir sinken und aus dem wir nicht wieder herauskommen.
Ist das eine Schuld, eine Sünde? Nein. Ich glaube, es ist das
Bröckeln oder gar der Verlust des Vertrauens in das Leben.
In Vers 10 heisst es: «Lass mich hören Freude und Wonne,
dass die Gebeine fröhlich werden» und in Vers 12: «Schaffe in
mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, gewissen
Geist.» Dies verstehe ich als Bitte um ein neues, gewisses,
zuversichtliches Vertrauen, das uns trägt. Um Gottes Nähe!

Von: Elisabeth Raiser

22. Dezember

Du bist meine Zuversicht, HERR, mein Gott,
meine Hoffnung von meiner Jugend an.
Psalm 71,5

Ein alter Mensch bekräftigt seinen Glauben. Zuversicht und
Hoffnung sind die zentralen Begriffe. Aber der Psalm spricht
auch von Angst, von Schmach, von Abgründen. Dem gegenüber
denke ich an einen Menschen, der mir mein Leben lang
nahe war und ist, der dement in seinem Fauteuil sitzt und
sagt, es gehe ihm gut. Natürlich weiss ich nicht, wie es in seiner
Seele aussieht, denn er kann sich nicht mehr ausdrücken.
Zuversicht und Hoffnung – was bedeuten sie mir im Alter?
Was trage ich in meiner Seele herum, wenn es dunkel und
trüb ist? Kann ich dann meinen Glauben bekräftigen, kann
ich Kraft schöpfen?
Wie der Psalmsänger hoffe ich auf Gott, die Lebendige,
hoffe darauf, dass sie mir Hoffnung und Zuversicht schenkt,
hoffe darauf, dass ich würdig leben kann. Und ich weiss ja,
wie privilegiert ich bin. Und doch will ich sie zulassen, die
Angst, will ihr begegnen mit meinen Gefühlen und Gedanken.
Denn nur so kann ich Zuversicht erfahren, denn Gott,
die Lebendige, ist da in der Angst und schenkt mir Kraft,
Zuversicht und Hoffnung, einfach so.
Und so bitte ich Gott um Zuversicht und Hoffnung für alle
Menschen.

Von: Madeleine Strub-Jaccoud