Meine Augen sehnen sich nach deinem Wort und sagen: Wann tröstest du mich? Psalm 119,82

Es ist, als ob dieses Wort direkt an das Wort von gestern anschliessen würde: Wer in der Not und im Elend ist, wer von Wassermassen und wer von Raketen und Drohnen bedroht ist, braucht unmittelbaren Trost. Schmachtet nach Trost, wie die Zürcher Bibel übersetzt. Im Psalm liegt der Trost im Gotteswort. Dieses, so sagt er, könne auch im schwersten Sturm und im grössten Kampflärm gehört werden. Wahrlich eine steile Ansage! Und doch: Ich habe selber Situationen erlebt, wo ein Gebet als Notruf meine Lage veränderte. Nicht etwa, dass sich auf einen Schlag alles beruhigt hätte, aber so, dass sich in mir drin eine Veränderung anbahnte. Indem ich meine Angst wenigstens kurz in ein paar ehrliche Worte fassen konnte, war es mir, als ob eine kleine Ecke der schweren Last auf meiner Seele wegbräche. Auf eine geheimnisvolle Weise kam so etwas wie ein «Zipfel Zuversicht» auf, es könnte doch noch gut kommen. Dieses «wann tröstest du mich?» tönt auf den ersten Blick und im sicheren Zimmer gesagt ziemlich hart. Und direkt. In der Situation draussen passt nur der ehrlichste Ruf, und sei er noch so hart. Gott, an den er gerichtet ist, kennt meine Umstände und versteht das Drängen. Der Text von gestern gibt den Boden für diesen Ruf: Denn bei Gott ist Aufbauen.
Bei Gott ist Leben und Zukunft. Daran kann ich mich halten, auch wenn ich solches gerade überhaupt nicht sehen kann.

Von: Hans Strub