Ich werde mich an euch als heilig erweisen vor den
Augen der Völker. Und ihr werdet erfahren, dass ich
der HERR bin, wenn ich euch ins Land Israels bringe,
in das Land, über das ich meine Hand erhob zu dem
Schwur, es euren Vätern zu geben.
Hesekiel 20,41–42

Das auserwählte Volk, das verheissene Land – darüber auf
dem Hintergrund des Konflikts in Israel und Palästina zu
schreiben, ist eine unmögliche Aufgabe. Mit jedem Satz
droht entweder der Vorwurf des Antisemitismus oder des
westlichen Kolonialismus. Aber die Aufgabe ist gestellt, das
Alte Testament zu lesen und für heute zur verstehen.
Zwei Deutungen sind zu meiden: Aus christlicher Sicht
ist es das Schema, gemäss dem die Relevanz des Alten Testaments
darin liege, dass das Neue dessen Verheissungen
erfülle. Aus jüdischer Sicht ist es die Inanspruchnahme für
die politische Realität des Staates Israel, dessen Existenzrecht
nicht zu bestreiten, aber auch nicht mit dem Alten Testament
zu beweisen ist.
Dieses erzählt von Menschen, die Rettung von einem Gott
erfahren, den sie als den ihrigen verstehen. Das ging, etwa
im Josua- und im Richterbuch, häufig auf Kosten anderer
Menschen. Aber die Bibel selbst korrigiert: Gott ist nicht
ein Stammesgott, sondern Schöpfer der ganzen Welt, und
er wird in Christus das Heil aller Völker. Das Heil der einen
geht nicht auf Kosten des Unheils anderer. Gottes Heiligkeit
erweist sich vor den Augen und im Leben der Völker, im
Frieden, in der Würde aller Menschen.

Von: Andreas Marti