Tu deinen Mund auf für die Stummen und
für die Sache aller, die verlassen sind.
Sprüche 31,8

Wenige Tage bevor ich mich an das Schreiben dieses Textes
gemacht habe, verstarb ein für mich grosser ökumenischer
Lehrer: Julio de Santa Ana. Julio vermittelte mir, und
sicherlich nicht nur mir, wie zentral die Ausrichtung unserer
theologischen Reflexion und unseres christlichen Handelns
an der Leitlinie eines Gottes ist, dessen ganze Liebe in seiner
Option für die Armen, die zum Schweigen gebrachten Menschen,
die Witwen und Waisen zum Ausdruck kommt. Für
viele war die Radikalität, mit der Julio die Armen und Ausgestossenen,
die Flüchtlinge und Migranten, die sexuell Missbrauchten,
die Kindersoldaten und Opfer machtpolitischer
Interessen ins Zentrum stellte, nicht immer mit ihrem Verständnis
von christlicher Botschaft vereinbar. Und doch gilt
es, weiterhin den Mund aufzutun für jene, die ihre eigenen
Interessen nicht wortreich in den Medien vertreten können:
für die Stummen. Es gilt, weiterhin aktiv zu werden für jene
Teile der Schöpfung, denen das Existenzrecht abgesprochen
wird. Teile also, die verlassen sind, Opfer von egoistischem
Handeln. Verlassene sind demnach nicht allein Menschen,
sondern alles Geschaffene, dem wir unsere gottgewollte
Zuwendung, die uns aufgetragene Fürsorge entziehen. Gottes
vorrangige Option für die Armen, wie Julios Umschreibung
der heutigen Losung heissen würde, gilt weiterhin.
Zum Mitmachen, zur aktiven Teilhabe an dieser Option lädt
die heutige Losung ein.

Von: Gert Rüppell