Josef blieb im Gefängnis, aber der HERR war mit ihm. 1. Mose 39,20.21

Das ist der irritierende Drehpunkt in der farbigen Erzählung,
wie Josef, nachdem er es zu hohem Ansehen gebracht hatte,
zu Unrecht eines sexuellen Übergriffs beschuldigt und deswegen
ins Gefängnis geworfen wird. Das Unrecht wird nicht
aufgedeckt. Josefs Unschuld wird nicht anerkannt, er wird
nicht freigelassen. Aber – oft kommt nach einem «Aber»
das Entscheidende – die Haft ist nicht ein Zeichen dafür,
dass Gott Josef verlassen hätte. Das Gefängnis ist im Gegenteil
der Ort, an dem Gott mit Josef ist – und wo Gott viel
mit ihm vorhat.
Wir glauben und bekennen, dass Gott mit allen ist, die
gefangen gehalten werden. Das bezeugt uns der gefangene,
gefolterte, hingerichtete Christus. Das soll uns aber nicht
dazu verführen, den Kampf gegen Folter und Willkür aufzugeben,
uns nicht für das Recht der Gefangenen und ihre
Befreiung einzusetzen. Sie sollen nicht verzweifeln müssen,
nicht am Unrecht zerbrechen, das ihnen angetan wird.
Neben der Losung steht indessen ein kurzer Text von Dietrich
Bonhoeffer. Mir kommt Nelson Mandela in den Sinn.
Oder Marie Durand in ihrem «Standhaftigkeitsturm», der
Tour de Constance. Sie stehen für das tiefe Geheimnis, dass
Gott manche nicht aus ihrer Bindung, ihrer Gefangenschaft
befreit, weil Gott – darin liegt die Irritation dieser Losung –
genau darin Erstaunliches bewirkt.

Von: Benedict Schubert