Gott, der HERR, der Mächtige, redet und ruft der Welt
zu vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang.

Psalm 50,1


Gott hat es nicht leicht mit uns Menschen, denke ich mir,
wenn ich die heutige Losung lese. Er redet und ruft. Beständig.
Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. Bis
zur Verzweiflung beharrlich erscheint mir Gottes Wille, mit
der Welt, mit uns in Beziehung zu treten. El, der Allmächtige,
Elohim, der allein Anbetungswürdige, JHWH, der Ich-binder-
ich-bin – er redet und ruft.
Nein, ich spiele nicht auf die gerne im Munde geführte Rede
von Glaubensverlust und Gottlosigkeit unserer Zeit an. Ich
spiele an auf eine Analyse des bekannten Soziologen Hartmut
Rosa. Uns mangle es an der Fähigkeit, uns anrufen zu
lassen, meint er. So leben wir in einem Aggressionsverhältnis
zur Welt, fragen: Was habe ich davon? Was kriege ich? Was
beherrsche ich, was beherrsche ich nicht?
Gott bleibt beharrlich. Redet und ruft. Ruft uns in die Beziehung
mit ihm. Verspricht: Am Grunde deiner Existenz liegt
nicht ein kaltes, schweigsames Universum – sondern eine
Antwortbeziehung. Der allmächtige Gott meint mich. Ruft
mich an. Eine Verbindung entsteht. Verwandelt mich. Öffnet
meinen Sinn dafür, mich anrufen und verändern zu lassen,
und befähigt mich, aus dem Aggressionsverhältnis heraus
und in ein Resonanzverhältnis mit der Welt zu treten.

Von: Maria Moser