Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erdenbei den Menschen seines Wohlgefallens.  Lukas 2,14

Wie sehr sehnen wir uns nach dem Frieden, den die Engel jedes Jahr wieder verkünden! So ist dieser Gesang der Engel ein grosser Trost und birgt eine grosse Hoffnung.

Ich frage mich aber schon lange: Ist diese    Formulierung «Friede bei den Menschen seines Wohlgefallens» nicht eine Zusage, die nur den Menschen gilt, die Gott wohl gefallen? Trifft sie nur zu auf die Menschen, die seine Weisungen befolgen, die gut sind – und die andern fallen heraus? Ich habe den Urtext befragt und habe andere Übersetzungen zu Rate gezogen: Die Bibel in gerechter Sprache sagt: «Friede auf Erden bei den Menschen, an denen Gott Freude hat.» Das ist nicht weniger missverständlich. Aber kluge Kommentare haben mich beruhigt: Wörtlich übersetzt heisst der Urtext «und auf der Erde Friede den Menschen des Wohlgefallens», und das bedeutet so viel wie: den Menschen, denn Gott hat Wohlgefallen an ihnen; Gott liebt die Menschen, also auch die, die nicht «gut» sind. Das passt zum Evangelium, zur Nächstenliebe und zur Feindesliebe! Und ich verstehe dies als eine Aufforderung an uns: Haltet Frieden, auch mit denen, die ihr nicht mögt und die euch nicht mögen. Sucht den Frieden auch mit Aggressoren. Wie das geschehen soll, bleibt die grosse Frage. Die Geburt des Kindes und seine Botschaft geben uns Hoffnung, dass es mit seiner Hilfe dennoch gelingt.

Von Elisabeth Raiser