Monat: Juni 2022

30. Juni

Der HERR ist meine Stärke und mein Lobgesang und ist mein Heil.        2. Mose 15,2

Mose stimmt den Lobgesang des Siegers an. Gott hat die Israeliten in die Freiheit geführt und die Übermacht der Ägypter zerschlagen. «Ross und Reiter hat er ins Meer geschleudert.» Die besten Kämpfer hatten gegen Gott keinen Stich und wurden im Schilfmeer versenkt. «Der Herr ist ein Krieger.»

Soweit der Exodus. In Wahrheit kommen die Kleinen fast immer unter die Räder. Die militärische Stärke gewinnt. Und selbst wenn sie implodiert, tut sie es nur um den Preis von Tod und Zerstörung. Frauen, Kinder, Männer flüchten. Die Angreifer, die ihnen nachjagen, damit sich «an ihnen sättige ihre Gier», versinken nicht im Meer «wie Blei».

Einen anderen Klang erhält der Vers, wenn er, von der Wucht der Erzählung losgelöst, verinnerlicht wird. Menschen sind darauf angewiesen, dass ihre Stärke nicht allein aus ihnen selbst kommt, sondern aus der Zuwendung ihrer Mitmenschen, von der Liebe Gottes. Die Hoffnung, dass heil wird, was zerbrochen ist, und am Ende die Gier doch nicht siegt, Gott sich an die Seite der Opfer stellt und sie seine Kraft spüren lässt. Allerdings ist es nicht die Kraft eines Kriegsgottes, es ist die Kraft des Friedensgottes. Jene Kraft, die «ihre Vollendung am Ort der Schwachheit» findet (2. Kor 12,9).

29. Juni

Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, dass du das  Leben erwählst.           5. Mose 30,19

Gott zwingt die Menschen nicht zu ihrem Glück. Er lässt ihnen die freie Wahl zwischen Segen und Fluch. Die Wahl zwischen einem Leben nach Gottes Gesetzen der Liebe und einer Existenz, die in der Ausgrenzung und im Egoismus ihren falschen Segen findet. Gott schenkt dem Menschen die Freiheit, sich von Gott zu abzuwenden.

Aber egal ist es Gott offensichtlich nicht, wie sich der Mensch entscheidet. Er relativiert die Wahlfreiheit sogleich zum Paradox. Der Ratschlag Gottes liest sich wie ein Befehl:

«… dass du das Leben erwählst». Der Weg in die Gottesferne wird nur aufgezeigt, um ihn als Irrweg zu entlarven. Gott will die Menschen ins Leben führen und nicht in den Tod, in die Freiheit und nicht in die Knechtschaft, hin zu seiner segensreichen Liebe und nicht in den verfluchten Hass.

Den deutlich beschrifteten Wegweiser stellt Gott an die Kreuzung, weil er weiss, wie schwer den Menschen die Wahl oft fällt. Sich im Kleinen für die Liebe statt für den Neid und im Grossen für den Frieden statt für den Krieg zu entscheiden, ist anstrengend. Und so klingt die Bitte im Unservater wie ein menschliches Echo auf die göttliche Wahlempfehlung aus dem Alten Testament: «Und führe uns nicht Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.»

Von Felix Reich

28. Juni

Der HERR steht mir zu Rechten, so wanke ich nicht.           Psalm 16,8

Die kleine Hand schiebt sich verstohlen in die grosse. Nun sind die beiden verbunden, untrennbar, so scheint es mir, als ich dem Duo entgegenkomme. Die Kleine schaut etwas ängstlich auf meinen Hund, der an der Leine neben mir geht und eher nach Katzen als nach kleinen Mädchen Ausschau hält. Aber man kann ja nie wissen. Doch mit ihrem Vater an der Hand, ja, da kann ihr nichts passieren, da ist sie sich sicher. Und so bleibt sie in sicherem Abstand stehen und ihr Vater mit ihr und sie schaut meinen Hund an. Jetzt eher erwartungsvoll.

«Wie heisst dein Hund?», fragt sie, ohne den Vater loszulassen.

«Maxi», sage ich. «Und du?»

«Maria.»

«Magst du ihn streicheln?», frage ich, weil Maxi ein absoluter Familienhund ist und ich mich auf ihre Kinderfreundlichkeit verlassen kann. Maria zögert noch und blickt zu ihrem Vater rauf. Der lächelt ihr zu: «Versuch es doch!», macht er ihr Mut. Die eine kleine Hand drückt fest die grosse, die andere nähert sich langsam meinem Hund. Vorsichtig gleitet sie ein einziges Mal durch das weiche Fell und Maxi schnuppert kurz und will dann weiter.

Die kleine Hand lockert sich beim Weitergehen und doch bleibt sie weiter in der grossen liegen. Weil es so guttut und Sicherheit gibt in den verschiedensten Lagen des Lebens.

Von Sigrun Welke-Holtmann

27. Juni

Prüft, was dem Herrn gefällt.                          Epheser 5,10

Die Frucht des Lichts ist

Güte, Wahrheit, Gerechtigkeit.

Ich befürchte, bei uns

ist es längst zappenduster.

Die eigene Gefälligkeit ist

das Mass der Dinge, der Zeit,

der Gerechtigkeit.

Das Licht hat seine Kinder verloren.

«Wach auf, der du schläfst, steh auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten.»

Hoffentlich!

Von Sigrun Welke-Holtmann

26. Juni

Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.        Johannes 14,27

Jesus nimmt Abschied von den Seinen. Er bereitet sie darauf vor, dass es eine Zeit geben wird, in der er nicht mehr leibhaftig unter ihnen sein wird. Aber er lässt sie nicht allein:

«Der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.» (Vers 26f.)

Wie zeigt sich der Friede Christi heute in unserer durch Krieg und Gewalt, durch Leid, Angst und Tod verstörten Welt?

Ich glaube, er zeigt sich im Mut der Menschen, die sich weigern, im Bruder den Feind zu sehen, in der Kraft der Mitmenschlichkeit, in der Beharrlichkeit im Willen zum Frieden, in der Hoffnung, die nicht aufgibt.

Wo Frieden werden soll, kommt es auf die Menschen an, auf jede und jeden einzelnen, auf uns.

Mach uns zu Werkzeugen deines Friedens, unerschrocken und ohne Furcht, stärke unser Vertrauen auf deine Friedensmacht und lenke unsere Schritte auf den Weg des  Friedens.

Von Annegret Brauch

25. Juni

Jesus spricht: Ein Beispiel habe ich euch  gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.        Johannes 13,15

Jesus wäscht den Seinen die Füsse. Er, ihr Herr und Meister, ihr Lehrer und Rabbi, übernimmt den Dienst, der sonst nur den Sklaven zugemutet wird. Allen wäscht er die Füsse, auch dem, der ihn wenig später verraten wird. Das ist sein Beispiel. Es ist eine paradoxe Intervention, was er tut: unerwartet, überraschend, anders als bisher gekannt oder vertraut. Dass Petrus verstört reagiert, verwundert nicht: «Nimmermehr sollst du mir die Füsse waschen!» (Vers 8)

Eine paradoxe Intervention bricht vermeintliche Regeln, durchbricht den gewohnten Lauf der Dinge und gelernte Vorstellungen von Normalität. Sie zeigt, es geht auch anders: Der Meister übernimmt den Sklavendienst. Die produktive Kraft der Liebe gestaltet das Miteinander in der Gemeinschaft nicht als Herrschaft der einen über die anderen (vgl. Verse 34 f. und Mk 10,42 ff.).

Das Beispiel ist zugleich Jesu Vermächtnis an die Seinen:

«… damit ihr tut, wie ich getan habe.»

Wie viel Unerwartetes, Überraschendes, Anderes… trauen wir uns zu in der Nachfolge Jesu? Wie gross ist unser Zutrauen in die produktive, verändernde, manchmal paradox intervenierende Kraft der Liebe Christi, die unter uns wirksam ist? Wie wirkt Jesu Beispiel in meinem Leben?

Von Annegret Brauch

24. Juni

Die Menge fragte Johannes: Was sollen wir tun? Er antwortete aber und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat;  und wer Speise hat, tue ebenso.             Lukas 3,10–11

Heute ist Johannistag, und wir denken mit Bewunderung an ihn, den selbstlosen, hellsichtigen Vorläufer Jesu. Seine Antwort auf die Frage der Menge «Was  sollen wir tun?»  ist knapp und eindeutig: «Es kommt aufs Teilen an.» Wir können und sollten uns ehrlich zugeben: Wir brauchen in Wirklichkeit den Überfluss der Güter nicht, sondern wir können teilen, und wenn wir es tun, schadet es uns nicht, sondern bereichert uns. «Was mehr wird, wenn wir teilen» ist ein Buchtitel; lasst uns das auf die eigene Fahne schreiben!

Vor kurzem hörte ich im Radio einen Bericht über die Obdachlosenarbeit in Düsseldorf. Obdachlose sind ja oft   in einer Falle: Sie finden keine Arbeit, weil sie keinen Wohnsitz haben, und sie finden keine Wohnung, weil sie keine Arbeit haben. Es ist ein Teufelskreis! So gibt es in einigen Städten bereits das wohl aus den USA stammende Prinzip des Housing First, das heisst, obdachlosen Menschen wird zunächst in einem von der jeweiligen Organisation angemieteten Wohnblock eine Wohnung kostenlos zur Verfügung gestellt, von wo aus sie sich mit Adresse um eine Arbeit bemühen können. Wenn das geklappt hat, suchen sie sich eine eigene neue Wohnung. Grossartig! Johannes wäre einverstanden!

Von Elisasbeth Raiser

23. Juni

Ruft laut, rühmt und sprecht: HERR, hilf deinem Volk!                                        Jeremia 31,7

Ich schreibe diesen Text am 25. Februar dieses Jahres und bin ganz unter dem Schock des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Es gibt Krieg in Europa nach einer langen Friedenszeit von 75 Jahren. «HERR, hilf deinem Volk» – das ist ein Gebet, das wir alle wohl in Gedanken an die Ukraine und ihre Menschen laut oder leise beten. An diesem 25. Februar lautet die Losung: «Der Herr schafft Recht seinem Volk und wird seinen Knechten gnädig sein.» Das ist wie ein zweiter Satz nach dem Hilferuf, und diese Hoffnung liegt nicht nur den Gebeten und Bitten der Ukrainer zugrunde, sondern auch den russischen Friedensdemonstranten in den Strassen von Moskau, von Sankt Petersburg, in so vielen Städten Russlands. Für ihren grossen Mut werden sie geschlagen und verhaftet. «Lass Recht aufblühen, wo Unrecht umgeht. Mach die Gefangenen von der Willkür frei!» Wenn uns die eigenen Worte fehlen, helfen diese Zitate. Ich schreibe sie hier auf, wohl wissend, dass vielleicht und hoffentlich am 23. Juni der Friede und die Freiheit in der Ukraine wieder hergestellt und das ukrainische Volk nicht einfach dem Machtwillen Putins unterworfen ist.

Im 31. Kapitel spricht Gott durch seinen Propheten und verheisst seinem Volk die Rückkehr aus der Gefangenschaft und Unterdrückung. Es sind grosse, tröstliche Worte für das Volk Israel.

Aber sie gelten, denke ich, auch für andere Völker! Amen!

Von Elisabeth Raiser

22. Juni

Behalte meine Worte, so wirst du leben, und hüte meine Weisung wie deinen Augapfel. Sprüche 7,2

Leben will die Lebendige schenken. Ohne Einschränkungen oder Bedingungen, wenn wir Gottes Worte behalten. Heute will ich die Zusage von Frieden fest in meinem Herzen und in meinem Kopf verankern. Die Lebendige sagt Frieden zu.

«Selig die Friedfertigen», so sagt uns die Bergpredigt von Jesus. Ich will versuchen, die Friedenszusage «wie meinen Augapfel» zu behüten. Gleichzeitig habe ich gerade während des Kriegs in der Ukraine auch Angst, ich bin gelähmt, muss etwas tun, damit mich die Friedenszusage hält. Ich bin überzeugt, dass diese Zusage trägt und Licht schenkt im Dunkel. Ich muss aber auch etwas dafür tun, muss die Lähmung und die Zweifel aushalten, muss mich austauschen und mich zusammentun mit Menschen, die auch daran festhalten. Denn es geht um das Leben von unschuldigen Menschen, es geht nicht um mein Leben. Für ihr Leben kann ich beten, schreien, um Beistand für sie bitten. Nur etwas sollte ich nicht tun: mich fragen, ob es etwas hilft, denn ich kann die Worte der Lebendigen behalten in allem Dunkel.

Gott, wir bitten dich um Frieden und um Kraft für uns und alle Menschen.

Von Madeleine Strub-Jaccoud

21. Juni

Aus dem Munde der jungen Kinder und  Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet.                          Psalm 8,3

Die Zürcher Bibel übersetzt ein wenig anders: «… hast du ein Bollwerk errichtet deiner Widersacher wegen, um ein Ende zu bereiten dem Feind und dem Rachgierigen.» Es wird nicht klar, welche Rolle Kinder und Säuglinge spielen in diesem Kampf gegen die Widersacher. Ob sie in ihrer Schwachheit auf Gottes Schöpfung hinweisen?

Die folgenden Verse sind ein einziges Lob auf diese Schöpfung. Und gerade um unserer Kinder und Grosskinder willen lohnt es sich, durchzuatmen und einzustimmen in dieses Lob. Denn es führt dazu, dass wir die Schöpfung wahrnehmen, uns bewusst werden, was sie uns bedeutet. Und daraus folgt für mich, dass wir uns für ihre Erhaltung einsetzen.

Eine meiner Enkelinnen arbeitet beim Klimastreik mit. Ihr zuzuhören ist eine wahre Freude, und ihr zuzuschauen, mit welcher Konsequenz sie sich für die Bewahrung der Schöpfung einsetzt, erfüllt mich mit Dankbarkeit. Also doch Kinder und Säuglinge? Ja, denn viele von ihnen haben Angst und wollen sich als «Bollwerk» für das Klima und alle Umweltanliegen einsetzen. An uns Älteren ist es, sie dabei zu unterstützen, auf sie zu hören, mit ihnen zu reden, damit wir sie verstehen.

Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?    Psalm  8,5

Von Madeleine Strub-Jaccoud