Monat: April 2022

30. April

Der HERR sprach zu Mose: Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden,
und ich kenne dich mit Namen.
2.Mose 33,17

Es ist eine filmreife Szene, die sich am Rand des Zeltlagers der Israeliten abspielt, die ausgezogen sind, um das Gelobte Land zu finden. In der Gestalt einer Wolkensäule gastiert Gott persönlich im «Zelt der Begegnung». Gastgeber ist Mose, Josua gibt den Türsteher.

Das Gespräch mit Gott, das Mose «von Angesicht zu Angesicht» führt, liest sich wie eine Verhandlung um das Kleingedruckte. Mose hofft auf eine Vollkaskoversicherung für die Reise ins Land, in dem Milch und Honig fliesst. Doch Gott winkt ab. Wenn er sich mitten unter das «halsstarrige Volk» begeben würde, könnte er es «auf dem Weg vernichten». Die Israeliten müssen mit einem Boten vorliebnehmen. Kaum hat sich Gott offenbart, entzieht er sich der menschlichen Erkenntnis wieder. Mose lässt nicht locker und ringt Gott die Zusage ab, dass er Gnade gefunden hat. «Ich kenne dich mit Namen», bekennt Gott.

Der Mensch bekennt sich zu Gott, ohne ihn je ganz erken- nen zu können. Und indem Gott den Namen des Menschen kennt, bekennt er sich zu ihm. Das wechselseitige Bekenntnis wird zum Fundament der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Auf das Kleingedruckte im Vertrag kann der Mensch sich nicht berufen. Ihm bleibt allein das Wort.

Von Felix Reich

29. April

Seid untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.
Epheser 4,32

«Es sind alle so nett», singt Franz Hohler. Die als Freundlichkeit getarnte Oberflächlichkeit mündet im Lied in die Katastrophe, das Lächeln gefriert zur Fratze. Freundlichkeit kann in den Wahnsinn treiben. Konflikte werden unter den Teppich gekehrt, Gemeinheiten hinter der kontrollierten Fassade versteckt, Einwände weggelächelt.

Freundlichkeit steht unter dem Generalverdacht der politischen Korrektheit. Die Grenzen des Sagbaren zu verschieben, wird zum Freiheitsakt verklärt. Mitleid gilt als Gefühlsduselei ohne Sinn für die harte Realität. Wer die Humanität hochhält, gilt als Multikulti-Träumer. Wer Verzicht postuliert, wird als Moralist abgestempelt.

Der Apostel moralisiert nach Herzenslust. «Arbeite und tue etwas mit deinen Händen, damit du etwas hast, das du dem Notleidenden geben kannst.» Die Freundlichkeit, die hier zur Christenpflicht erklärt wird, hat nichts mit selbst-gerechter Nettigkeit zu tun, welche die Contenance behält um jeden Preis. Diese Freundlichkeit geht tiefer, sie meint Barmherzigkeit. Sie scheut den Blick auf die Wirklichkeit nicht und auch keine Debatte. Ohne sie funktioniert keine Familie, keine Gemeinschaft und ohne sie ist wohl auch kein Staat zu machen.

Von Felix Reich

28. April

Der HERR wird zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spiesse zu Sicheln.
Jesaja 2,4

«… Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.» Was tragen sie aus, die Verheissungen und Weissagungen der Prophetenbücher des Alten Testaments? Warum sollen wir sie heute noch lesen, diese Texte, die sich augenscheinlich immer noch nicht erfüllt haben? Der Friede, wie ihn Jesaja beschreibt, ist noch nicht zu sehen. Es sind keine Gegenwartsbeschreibungen, es ist textgewordene Hoffnung. Hoffnung auf Gottes Frieden. Eine Hoffnung, die eine kriegerische Menschheit vielleicht seit jeher umgetrieben hat. Die Sehnsucht nach einer Welt, die anders sein könnte, als sie jetzt  ist, sie wird durch diese Texte wachgehalten. Das  ist der Beitrag der Verheissungen für die Gegenwart. Sie helfen bei aller Ungeduld, Geduld zu bewahren. Gottes Reich  ist im Wachstum begriffen, auch wenn wir es nicht immer sehen können und manches dem entgegenzustehenscheint.

Und zugleich sind diese Texte wie ein Stachel, um bei aller Geduld ein gutes Stück ungeduldig zu bleiben, sich nicht abzufinden mit den Zuständen, wie sie jetzt sind. Nichts muss bleiben, wie es ist.

Von Sigrun Welke-Holtmann

27. April

Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber; sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott.
2. Korinther 3,5

Er war’s! Nein, er war’s! Die Vase liegt in tausend kleinen Stücken über den Fussboden verteilt, als die Mutter den Raum betritt. Ihr Blick wandert abwechselnd zwischen den beiden Brüdern und dem zerbrochenen Erbstück hin und her. Ein Finger zeigt auf den anderen, drei weisen zurück. Wer es wirklich war, das wird sie nie herausbekommen, das weiss sie. Und so beginnt sie die Scherben aufzukehren. Ein «er» war es halt.

Verantwortung abschieben, wenn es brenzlig wird, das ist ein probates Mittel. Seit Adam und Eva, beliebt schon bei Kindern. Aber auch Erwachsene geben die Verantwortung für Verlust und Versagen gerne ab. Dann war es das System oder der Markt oder beides.

Erfolge rechnet man sich da schon eher zu: «Das war ich, ich ganz alleine! Aber ich habe auch hart dafür gearbeitet, hab alles hintangestellt, sogar mich selbst.»

Er war’s! Sagen auch Paulus und Timotheus und versuchen damit die Verantwortung für ihr tüchtiges Handeln auf Gott abzuwälzen. Aber nicht um fein raus zu sein oder nicht belangt zu werden, sondern um überhaupt erst wieder Gehör zu finden. Um Vertrauen wieder herzustellen und eine Beziehung, die ziemlich angespannt war, wieder zu entspannen. Er war’s durch uns und deshalb dürft ihr uns vertrauen. Gott steht hinter uns und auch hinter euch.

Von Sigrun Welke-Holtmann

26. April

Der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben
in Christus Jesus, unserm Herrn.

Römer 6,23

«Alles hat seinen Preis!» ist ein beliebter Ausspruch einer Freundin. Mal klingt er ein bisschen resignativ, meist dann, wenn der «Preis» – für was auch immer – gefühlt zu hoch ist; mal fröhlich, wenn sie etwas Schönes erstanden hat; mal pragmatisch-abgeklärt: So ist es halt im Leben. Alles hat seinen Preis!

Bei Paulus geht es um Tod oder Leben. Der Preis für ein Leben unter der Sündenmacht ist ihm zu hoch. Im 6. Kapitel seines Briefes an die Gemeinde in Rom argumentiert er mit aller Kraft für den Weg zum Leben – rhetorisch kunstvoll, aber für uns Heutige nicht ganz leicht verständlich. Denn, so das Fazit seiner Rede: «Der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus.»

Bei Matthäus klingt es für mich einfacher, wenn Jesus sagt: «Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.» (Matthäus 5,24)
Es ist also meine, Ihre, unsere Entscheidung – als Einzelne und als Gemeinschaft, welchen Weg wir einschlagen, woran wir uns orientieren und unser Leben, unsere Lebensweise ausrichten, jeden Morgen neu. Das hat einen hohen Preis:

«Wir sind teuer erkauft!» (vgl. 1. Korinther 7,23)

Von Annegret Brauch

25. April

Es freue sich der Himmel, und die Erde sei fröhlich, und man sage unter den Völkern, dass der HERR regiert!
1. Chronik 16,31

Jede Zeit, jede Generation erzählt Geschichte neu. Die Gegenwart und ihre Lebensumstände prägen den Blick auf das Vergangene, das nun in neuer Weise verstanden wird. Dabei sagen die neuen Erzählungen und Texte häufig mehr über die Zeit ihrer Entstehung aus als über die Zeit, von der sie berichten. So auch die Bücher der Chronik, die nach der Rückkehr aus dem Exil in Babylon die Geschichte des Volkes Israel von Anfang an noch einmal ganz neu erzählen.

Alles auf Anfang also?!
Am Anfang dieses Liedes, zu dem unser Vers gehört, stehen Lob und Dank: «Danket dem HERRN, ruft seinen Namen an, tut kund unter den Völkern sein Tun! Singet und spielet ihm, redet von allen seinen Wundern!» (Verse 8 und 9).
Alle sollen sich mitfreuen, sogar Himmel und Erde und das Meer, Felder und Bäume (Verse 32 f.); und auch all die Menschen und Nationen, die nicht zum Volk Israel gehören. Was für ein Neuanfang!

Das passt gut zu dieser Woche, die vom Sonntag Quasimodogenitit (= wie die neugeborenen Kinder) herkommt: Etwas Neues ist geworden und ist im Werden! Wir dürfen gespannt sein und uns freuen – mit Himmel und Erde, mit Gottes Volk Israel, mit allen Menschen unter Gottes Himmel, als Töchter und Söhne, die zu Gott gehören!
Von Annegret Brauch

24. April

Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.
Lukas 10,20

Vor einer Woche haben wir Ostern, das Fest der Auferstehung, gefeiert. Heute ist nun der traditionelle Taufsonntag mit dem schönen Namen Quasimodogeniti (Wie die neugeborenen Kindlein). Die Taufe ist ein Versprechen: Die Kinder werden von Anfang an in ihrem irdischen Leben unter dem Segen Gottes leben, sie bekommen einen Namen, mit dem sie zu IHM gehören, das ist die hoffnungsvolle Zusage. Und dazu sind alle Namen im Himmel geschrieben, keiner ist verloren, und gerade in den schwierigsten Zeiten ist Gott nahe.
Die schöne Geschichte von den Spuren im Sand illustriert das aufs Beste, und so erzähle ich sie – verkürzt – noch einmal nach: «Mir träumte, ich ging mit Gott am Strand entlang und die Bilder meines Lebens waren im Himmel zu sehen. Und bei jedem Bild sah ich zwei Spuren im Sand: meine eigene und die meines Herrn. Als ich nach dem letzten Bild zurücksah, sah ich gerade in den schwierigsten Zeiten meines Lebens nur eine Spur: Oh, deshalb war es so schwer: Du gingst nicht mit mir!
Gott antwortete: Liebes Kind, dort, wo du nur eine Spur siehst, dort habe ich dich getragen! » (Margrit Fishback Powers)

Unsere im Himmel geschriebenen Namen drücken das Gleiche aus, damit wir nicht verzweifeln und nicht verloren gehen. Das ist wahrlich Grund zu Freude.
Von Elisabeth Raiser

23. April

Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.
Johannes 4,14

Die ganze Geschichte von der Samaritanerin am Brunnen in Johannes 4 ist eine der tröstlichsten und schönsten, auch dramatischsten unter all den Erzählungen von Begegnungen Jesu mit seinen Mitmenschen. Jesus hat ein langes Gespräch mit der Frau geführt – über den Durst, das Stillen des Durstes mit klarem Wasser aus dem Brunnen; das lebendige Wasser, das zu einer Quelle zum ewigen Leben wird. Aber auch über ihre fünf  Männer hat er mit ihr gesprochen. Nun rennt sie aufgeregt in ihre Stadt Sychar und ruft ihre Leute zusammen. «Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, ob er nicht der Christus sei!»
Grosse Hoffnung entsteht bei den Menschen. Die Samaritaner haben keine Gemein- schaft mit den Juden, aber sie eilen hinaus, bitten Jesus, noch zwei Tage bei ihnen zu bleiben, und viele von ihnen glauben von da an an ihn, den Christus. Es ist eine sehr menschliche Offenbarungsgeschichte, in der Jesus die Grenze seiner Volkszugehörigkeit überschreitet und seine Botschaft und Gnade ausweitet auf alle Menschen: Alle können vom Wasser zum ewigen Leben trinken. Das lebensbringende Wasser ist ein wunderbares Bild für den Glauben. Und so sagen die Samaritaner schliesslich voller Dankbarkeit von Jesus: «Dieser ist wahrlich der Welt Heiland.»
Von Elisabeth Raiser

22. April

Mach dich auf und handle. Und der HERR möge mit dir sein.             
1. Chronik 22,16

David bereitet den Bau des Tempels vor, und gleichzeitig setzt er seinen Sohn Salomo als seinen Nachfolger ein. Gott soll ein Haus bekommen. Und mit der Ernennung Salomos zum Nachfolger soll nach all den Kriegen und dem Blutvergiessen Ruhe einkehren. Die Menschen, auch die Fremden, sind in den Bau des Tempels einbezogen, gestalten mit. Es entsteht ein Haus für Gott, das, so verstehe ich das Kapitel, alle Menschen einbezieht. Und es soll Ruhe einkehren.

Unweigerlich steigen Bilder in mir auf, die die Zerstörung Syriens zeigen. Wer schaut, dass dort Ruhe einkehrt? Wer baut ein Haus für Gott, welches den Menschen Ruhe bringt? Wer ist aufgerufen, zu handeln? Ich weiss, solche Parallelen zwischen einem Text aus der Bibel und heutigen Situationen sind problematisch. Und doch erlaube ich mir nachzufragen, was die heutigen Häuser Gottes, die Kirchen, tun, damit Ruhe und Friede einkehrt. Genügen wir uns nicht vielmehr selbst und haben Angst, kleiner zu werden? Wo wir doch handeln könnten, um am Frieden mitzuwirken. Es stimmt: Die Hilfswerke tun viel. Aber wir delegieren ihnen auch viel. Ich wünsche mir, dass unsere Gotteshäuser Orte des Handelns werden, Orte, wo wir über Gerechtigkeit und Frieden nachdenken und uns zusammen mit andern aufmachen, um Visionen des Friedens in Taten umzuwandeln, ganz so, wie der Tempel gebaut wurde.
Von Madeleine Strub-Jaccoud

21. April

Hasst das Böse und uns liebt das Gute. Richtet das Recht auf im Tor,
vielleicht wird der HERR, der Gott Zebaoth, gnädig sein.

Amos 5,15

Der Prophet stimmt eine Totenklage an über das Haus Israel. Jerusalem ist zerstört und wird nicht wieder auferstehen, so die Worte des Propheten. Es gibt nur ein Mittel, um am Leben zu bleiben, nämlich Gott, die Lebendige, zu suchen. Der Grund der Zerstörung wird in Vers 11 erwähnt: «Darum, weil ihr dem Hilflosen Pachtzins auferlegt und Abgaben vom Getreide von ihm nehmt.» Ungerechtigkeit herrscht, und darum wird Jerusalem zerstört. Ein neuerlicher Aufruf des Propheten verheisst vielleicht Gnade: Gutes zu tun und nichts Böses, Gerechtigkeit walten zu lassen anstelle von Ausbeutung.
Es ist keine Frage, was gut und was böse ist in unserem Text. Amos nennt das Böse beim Namen: Ungerechtigkeit gegen die Armen. Und damit sind wir mitten in der Frage nach weltweiter Gerechtigkeit. Zwar schauen wir nicht auf Trümmer, aber au  Tausende Menschen auf der Flucht. Ihnen verweigern wir Asyl. Viele dieser Menschen fliehen aus Unrechtsystemen, aus Armut und vor Gewalt.

Liebt das Gute, sagt der Prophet. Mir sagt er: Setze dich ein für flüchtende Menschen und für eine weltweite Gerechtigkeit.

Schenke du Kraft, Zukunft und Hoffnung.
Von Madeleine Strub-Jaccoud