Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren.                          3. Mose 19,32

«… Und du sollst dich fürchten vor deinem Gott. Ich bin der Herr.» So lautet der zweite Teil unseres heutigen Verses aus dem Buch Leviticus, in dem es um die zentrale Frage des Glaubens geht: Wie nämlich Gottes Beziehung zu den Menschen konkret werden kann und welche Konsequenzen sie für die Gestaltung der Gesellschaft hat. Immer wieder werden Vorgaben für alltägliche Vorgänge in einen direkten Zusammenhang mit der Gottesverehrung gebracht. «Ich bin der HERR» kommt etliche Male als Einschub im Text vor, so auch hier am Ende des Verses.
Damit wird deutlich, dass die angeordnete Respektbezeugung alten und wichtigen Menschen gegenüber nicht einfach eine Sache des Comment ist, sondern in direktem Zusammenhang mit der überall festzustellenden Gegenwart Gottes zu sehen ist. Wem im Alltag dieser selbstverständliche Respekt fehlt, der wird auch im Lobpreis Gottes und in der Anerkennung seiner unbedingten «Herrschaft» zurückhaltend sein – und damit die Gottesfurcht missachtet haben. Das Aufstehen für ältere Men- schen, im Tram zum Beispiel, wird wohl in den seltensten Fällen in eine Verbindung mit Gottesfurcht gebracht. Aber dieser Bezug ist möglich, weil Liebe und Ehrfurcht gegenüber den Nächsten (den Mitgliedern der Gesellschaft, eingeschlossen Fremde! Verse 33–34) ein Abbild der Liebe ist, die Gott jeder und jedem zukommen lässt. Ich liebe, weil Gott mich liebt.

Von Hans Strub